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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Lieben Frau im Nacken. Es hätte sowieso nichts genutzt, die Flucht zu ergreifen, weil eben jetzt drei Nonnen mit wallenden Gewändern aus dem Schatten der Arkaden auftauchten. Nur ihre Bärte und die schimmernden Selbstladegewehre, die sie bei sich trugen, zerstörten die Illusion, daß sie Christi Bräute seien. Womöglich hätte sie über diese Unvereinbarkeit gelacht, wenn die ihre Waffen nicht ge-radewegs auf ihr Herz gerichtet hätten.
    Kein erklärendes Wort fiel; aber schließlich war an einem Ort, der bewaffnete Männer in Nonnenkleidung beherbergte, ein Aufblitzen der holden Vernunft zweifellos so selten wie gefiederte Frösche.
    Sie wurde ohne weitere Umschweife von den drei heiligen Schwestern - die sie behandelten, als ob sie soeben den Vatikan ausradiert hätte - aus dem Hof geschafft und einer raschen Lei-besvisitation unterzogen. Sie nahm diesen Übergriff mit allenfalls flüchtigen Einwendungen hin. Keinen Moment lang ließen
    sie sie aus dem Visier. Und unter solchen Umständen schien Gehorsam das beste. Nach beendeter Durchsuchung bat sie einer höflich, sich wieder anzuziehen, und sie wurde in ein kleines Zimmer eskortiert und eingesperrt.
    Kurze Zeit später brachte ihr eine der Nonnen eine Flasche wohlschmeckenden Retsina und, um diesen Katalog der Unvereinbarkeiten zu vervollständigen, die beste Pfannenpizza, die sie, soweit sie sich erinnerte, diesseits von Chicago je gegessen hatte. Die im Wunderland verirrte Alice hätte das nicht sonderbarer finden können.
    »Womöglich liegt ein Irrtum vor«, räumte der Mann mit dem gewichsten Schnurrbart nach mehrstündigem Verhör ein.
    Erleichtert stellte sie fest, daß er trotz der Garnisonskluft nicht unbedingt für eine Äbtissin gehalten werden wollte. Sein Büro - wenn es das war - war spärlich möbliert, der einzig bemerkenswerte Gegenstand ein menschlicher Schädel mit fehlendem Unterkiefer, der auf dem Schreibtisch thronte und sie ausdruckslos anstierte. Der Mann selber war besser ausstaffiert als das Zimmer; die Fliege makellos gebunden, die Bügelfalten seiner Hose messerscharf. Aus seinem bedachten Englisch meinte Vanessa die Andeutung eines Akzents herauszuhören.
    Französisch? Deutsch? Erst als er etwas Schokolade aus seinem Schreibtisch hervorholte, kam sie zu der Überzeugung, daß er Schweizer war. Er heiße, so behauptete er, Mr. Klein.
    »Ein Irrtum?« sagte sie. »Da haben Sie verdammt recht, daß hier ein Irrtum vorliegt!«
    »Wir haben Ihren Wagen gefunden. Wir haben bei Ihrem Hotel nachgecheckt. Insoweit hat sich Ihre Geschichte bestätigt.«
    »Ich bin keine Lügnerin«, sagte sie. Über einen höflichen Umgang mit Mr. Klein war sie lang schon hinaus, ungeachtet seiner Bestechungsversuche mit den Süßigkeiten. Mittlerweile
    mußte es, ihrer Schätzung nach, spät abends sein, obwohl man das, da sie keine Uhr trug und der kahle kleine Raum, der sich im Innersten eines der Gebäude befand, keine Fenster hatte, schwerlich entscheiden konnte. Bei dieser ausschließlichen Be-anspruchung ihrer erschöpften Aufmerksamkeit durch Mr.
    Klein und seine unterernährte Nummer zwei hatte sich die Zeit ineinandergeschoben. »Na, da bin ich ja froh, daß Sie zufrieden sind«, sagte sie. »Sind Sie dann so gut und lassen mich in mein Hotel zurück? Ich bin müde.«
    Klein schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Ich fürchte, das ist nicht möglich.«
    Vanessa stand rasch auf, und die heftige Bewegung warf ihren Stuhl um. Auf den Laut hin öffnete sich innerhalb einer Sekunde die Tür, und eine der bärtigen Schwestern erschien, die Pistole schußbereit.
    »Alles in Ordnung, Stanislaus«, schnurrte Mr. Klein, »Mrs.
    Jape hat mir nicht die Kehle durchgeschnitten.«
    Schwester Stanislaus zog sich zurück und schloß die Tür hinter sich.
    »Wozu?« fragte Vanessa; das Erscheinen des Wächters hatte sie von ihrer Wut abgelenkt.
    »Wozu was?« fragte Mr. Klein.
    »Die Nonnen.«
    Klein seufzte tief und legte seine Hand an die Kaffeekanne, die eine volle Stunde vorher gebracht worden war, um zu sehen, ob sie noch warm war. Er goß sich eine halbe Tasse ein, ehe er antwortete. »Meiner Ansicht nach ist vieles davon überflüssig, Mrs. Jape, und ich kann Ihnen persönlich
    versichern, daß ich alles dransetze, daß man Sie so schnell wie menschenmöglich freiläßt. In der Zwischenzeit bitte ich um Ihre Nachsicht. Fassen Sie’s als ein Spiel auf…« Leichte
    Verbitterung überzog sein Gesicht. »… Die mögen Spiele.«
    »Wer?«
    Klein

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