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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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haben?«
    »Zweifellos. Er ist hinausgeschlüpft, wissen Sie. Sie sind ihm nach - die Trottel - und haben das Tor offengelassen. Die Sicherheit ist neuerdings skandalös… « Es hörte sich an, als sei er über die Situation wirklich schockiert. »… Nicht daß ich mich nicht freue, daß Sie hier sind.« Sie glaubte in seinem Blick eine gewisse Verzweiflung wahrzunehmen; einen tiefen Kummer, gegen den er ankämpfte. »Wir hörten Schüsse«, sagte er. »Sie haben ihn nicht erwischt, oder?«
    »Soviel ich gesehen habe, nicht«, antwortete Vanessa. »Ich bin hin, um nachzusehen. Aber nichts ließ darauf schließen…«
    »Ha!« sagte der Alte, und sein Gesicht hellte sich auf. »Womöglich ist er also tatsächlich entwischt.«
    Es war Vanessa bereits durch den Kopf gegangen, daß diese Unterhaltung eine Falle sein könnte; daß der Alte das willenlose Werkzeug derer, die sie gefangengenommen hatten, war und das Ganze lediglich eine andere Methode, Informationen aus ihr herauszuquetschen. Aber ihr Instinkt sagte ihr etwas anderes. Der Alte schaute sie mit solcher Zuneigung an, und sein Gesicht, das eines Meisterclowns, schien zur Heuchelei unfähig. Was auch geschehen mochte, sie traute ihm. Es blieb ihr kaum eine Wahl.
    »Helfen Sie mir hier raus«, sagte sie. »Ich muß unbedingt hier raus.«
    Er sah niedergeschmettert drein. »So schnell?« sagte er.
    »Sie sind eben erst angekommen.«
    »Ich bin kein Dieb.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht gern eingesperrt.«
    Er nickte. »Natürlich nicht«, antwortete er und machte sich stumme Vorhaltungen wegen seines Egoismus. »Tut mir leid.
    Es ist bloß, daß eine schöne Frau…« Er brach ab, versuchte es dann anders. »Das Wortemachen hat mir noch nie recht gelegen…«
    »Sind Sie sicher, daß ich Sie nicht von irgendwoher kenne?« erkundigte sich Vanessa. »Ihr Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    »Wirklich?« sagte er. »Das ist aber schön. Wir alle glauben, daß wir hier vergessen sind, wissen Sie.«
    »Alle?«
    »Wir wurden vor so langer Zeit entführt. Viele von uns standen mit ihren Forschungen erst am Anfang. Deswegen hat Floyd die Flucht versucht. Er wollte vor dem Ende noch ein paar Monate lang anständige Arbeit leisten. Ich hab’ manchmal die gleichen Anwandlungen.« Er brach seinen melancholischen Gedankengang ab und kam auf ihre Frage zurück. »Mein Name ist Harvey Gomm; Professor Harvey Gomm. Doch neuerdings vergess’ ich, wofür ich Professor war.«
    Gomm. Es war kein gewöhnlicher Name, und er ließ etwas anklingen, aber im Moment fiel ihr die Melodie dazu nicht ein.
    »Sie erinnern sich nicht, oder?« fragte er und schaute ihr dabei direkt in die Augen.
    Sie hätte am liebsten gelogen, aber das würde den Manndie einzige Stimme der Normalität, die sie hier entdeckt hattemöglicherweise mehr befremden als die Wahrheit, und die lautete: »Nein… ich kann mich nicht genau erinnern. Vielleicht ein kleiner Anhaltspunkt?«
    Aber ehe er ihr ein weiteres Stück von seinem Geheimnis preisgeben konnte, hörte er Stimmen. »Kann jetzt nicht reden, Mrs. Jape.«
    »Nennen Sie mich Vanessa.«
    »Darf ich?« Er strahlte, als hätte sie ihm ein unschätzbares Geschenk gemacht. » Vanessa. «
    »Sie werden mir doch helfen?« sagte sie.
    »So gut ich kann«, antwortete er. »Aber wenn Sie mich in Gesellschaft antreffen…«
    »… sind wir uns nie begegnet.«
    »Genau. Au revoir. « Er schloß die Klappe in der Tür, und sie hörte seine Schritte den Gang entlang verhallen. Als ihr Bewacher, ein liebenswürdiger Schläger namens Guillemot, mehrere Minuten später mit einem Tablett Tee aufkreuzte, war sie die Freundlichkeit selbst.
    Ihr Ausbruch vom Vortag schien doch etwas gefruchtet zu haben. An diesem Morgen schaute nach dem Frühstück Mr.
    Klein kurz bei ihr herein, um ihr zu sagen, daß sie in die Anlagen hinausdürfe (unter Guillemots Aufsicht), um die Sonne genießen zu können. Ferner wurde sie mit einer neuen Garnitur Kleider versorgt - ein bißchen zu groß, aber ein willkommener Ersatz für die verschwitzten Kleidungsstücke, die sie jetzt über vierundzwanzig Stunden anhatte. Dieses letzte Zugeständnis an ihren Komfort hatte jedoch einen Pferdefuß. So erfreut sie auch war, saubere Unterwäsche zu tragen - die Tatsache, daß man sie überhaupt mit der Kleidung versorgt hatte, ließ darauf schließen, daß Mr. Klein nicht mit einer baldigen Freilassung rechnete.
    Wie lange würde es wohl schätzungsweise dauern, bis der ziemlich

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