Das 5. Buch des Blutes - 5
runzelte ärgerlich die Stirn. »Ach, nichts«, sagte er.
»Je weniger Sie wissen, desto weniger müssen wir Sie vergessen lassen.«
Vanessa taxierte mit runden Augen den Schädel. »Nichts von dem ergibt irgendeinen Sinn«, sagte sie.
»Soll es auch nicht«, antwortete Mr. Klein. Er hielt inne, um an seinem abgestandenen Kaffee zu nippen. »Sie haben einen bedauerlichen Fehler begangen, Mrs. Jape. Und wir haben natürlich den Fehler begangen, Sie hereinzulassen.
Normalerweise sind unsere Sicherheitsvorkehrungen strenger, als Sie sie vorgefunden haben. Aber Sie haben uns ohne Bewachung angetroffen … und da konnten wir dann nur noch…«
»Schaun Sie«, sagte Vanessa, »ich weiß nicht, was hier vor sich geht. Ich will es auch nicht wissen. Ich will einzig und allein, daß man mir erlaubt, in mein Hotel zurückzugehen und in Frieden meinen Urlaub zu Ende zu bringen.« Nach dem Gesichtsausdruck ihres Vernehmungsbeamten zu urteilen, erwies sich ihr Appell nicht als überzeugend. »Ist denn das zuviel verlangt?« sagte sie. »Ich hab’ nichts getan, ich hab’ nichts gesehen. Wo liegt das Problem?«
Mr. Klein stand auf. »Das Problem«, wiederholte er leise für sich. »Das ist die Frage.« Er machte jedoch keinen Versuch zu antworten. Rief lediglich: »Stanislaus?«
Die Tür öffnete sich, und die Nonne war da.
»Bringen Sie Mrs. Jape wieder auf ihr Zimmer, ja?«
»Ich werd’ bei meiner Botschaft protestieren!« sagte Vanessa mit ausbrechendem Unmut. »Ich habe Rechte!«
»Bitte«, sagte Mr. Klein und schaute gequält drein.
»Herumbrüllen hilft keinem von uns weiter.«
Der Nonnenwachmann packte Vanessa am Arm. Sie spürte die Nähe seiner Pistole.
»Gehen wir?« fragte er höflich.
»Hab’ ich denn eine Wahl?« antwortete sie.
»Nein.«
Das Erfolgsrezept einer guten Posse, so hatte sie einmal ihr Schwager, ein ehemaliger Schauspieler, informiert, bestand darin, sie mit tödlichem Ernst aufzuführen. Keine heimlichen Andeutungen ans Publikum zur Signalisierung der komischen Intention des Possenspielers; keine Begleitaktion, die so uner-hört war, daß sie die Realität des Stücks in Frage stellte. Gemessen an diesen strikten Standards, war sie von einer Profibe-setzung umgeben. Trotz Verhaltensweisen, Nonnenschleiern und spionierenden Madonnen waren alle darauf bedacht, so zu agieren, als ob diese lächerliche Situation in keiner Weise den Rahmen des Normalen sprengte. Was sie auch anstellen mochte, sie konnte sie nicht dazu zwingen, Farbe zu bekennen; ihre Pokergesichter nicht verstören, ihnen nicht ein einziges Zeichen der Befangenheit abringen. Offenkundig fehlte ihr das erforderliche Talent für diese Art Komödie. Je eher sie ihren Irrtum einsahen und sie aus dem Ensemble entließen, desto froher würde sie sein.
Sie schlief gut, wozu ihr die Hälfte einer Flasche Whisky verhalf, die irgendein aufmerksamer Mensch in ihr kleines Zimmer gestellt hatte, bevor sie dorthin zurückkehrte. Selten hatte sie innerhalb so kurzer Zeit so viel getrunken, und als sie - gerade zur Morgendämmerung - von einem leichten Pochen an ihrer Tür geweckt wurde, fühlte sich ihr Kopf geschwollen
an und ihre Zunge wie ein Wildlederhandschuh. Sie brauchte einen Augenblick, um sich zurechtzufinden, währenddessen das Klopfen wiederholt wurde und das kleine Fenster in der Tür von außen aufging. Ein zudringliches Gesicht drückte sich gegen die Öffnung: das eines alten Mannes mit pilzartigem Bart und verstörten Augen.
»Mrs. Jape«, zischelte er. »Mrs. Jape. Können wir kurz miteinander reden?«
Sie ging zur Tür hinüber und schaute durch das Fenster. Der Atem des Alten bestand zu zwei Teilen aus Ouzo, zu einem aus frischer Luft, und sie drängte sich lieber nicht zu nah ans Fenster, obwohl er sie heranwinkte.
»Wer sind Sie?« fragte Vanessa, nicht einfach aus reiner Neugier, sondern weil die Gesichtszüge, sonnenverbrannt und ledrig, sie an jemanden erinnerten.
Der Mann warf ihr einen zittrigen Blick zu. »Ein Verehrer«, sagte er.
»Kenn’ ich Sie?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sind viel zu jung«, sagte er.
»Aber ich kenne Sie. Ich hab’ gesehen, wie Sie reinkamen. Ich wollte Sie warnen, aber dazu hatt’ ich keine Zeit.«
»Hält man Sie hier auch gefangen?«
»Gewissermaßen. Aber sagen Sie … haben Sie Floyd gesehen?«
»Wen?«
»Er ist entflohen. Vorgestern.«
»Ach«, sagte Vanessa, die diese hingeworfenen Perlen allmählich aufzureihen begann. »Floyd war der Mann, den die gejagt
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