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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Auf seine Stelle wurde ein Mann namens Devlin, aus dem D-Trakt, versetzt. Sein Ruf ging ihm voraus.
    Der Neue war, so schien es, kein Mann von seltenem Mitgefühl. Der Eindruck bestätigte sich, als Cleve am Tag von Billys Rückkehr in Devlins Büro gerufen wurde.
    »Man hat mir gesagt, Sie und Tait stehen sich nahe«, sagte Devlin. Sein Gesicht war etwa so weich wie Granit.
    »Nicht wirklich, Sir.«
    »Ich mach’ nicht denselben Fehler wie Mayflower, Smith.
    Was mich angeht, so bedeutet Tait Ärger. Ich werd’ ihn mit Argusaugen überwachen, und wenn ich nicht hier bin, wer’n Sie das für mich tun, verstanden? Wenn er auch nur schielt, geht’s ab in die Geisterbahn. Ich lass’ ihn hier rausschaffen, in ‘ne Sondereinheit, eh’ er noch furzen kann. Hab’ ich mich klar ausgedrückt?«
    »Hast ihm deine Reverenz erwiesen, was?«
    Billy hatte abgenommen in der Krankenstation; Pfunde, die sein klappriges Gestell kaum entbehren konnte. Das Hemd hing ihm lose von den Schultern; der Gürtel saß im engsten Loch. Die Abmagerung hob mehr denn je seine physische Verletzbarkeit hervor. Mit ‘nem federleichten Schlag liegt der am Boden, dachte Cleve. Aber sein Gesichtsausdruck hatte eine neue, fast verzweifelte Intensität bekommen. Er schien nur noch aus Augen zu bestehen; und die hatten jede Spur eingefangenen Sonnenscheins verloren. Auch die vorgetäuschte
    Leere war weg, ersetzt durch eine unheimliche Entschlossenheit.
    »Ich hab’ was gefragt.«
    »Hab’ ich gehört«, sagte Billy. Es schien heute keine Sonne, aber er schaute trotzdem die Wand an. »Ja, wenn du’s unbedingt wissen willst, ich hab’ ihm meine Reverenz erwiesen.«
    »Ich bin dazu vergattert worden, dich genau im Auge zu behalten, von Devlin. Er will dich aus dem Zellenflur weghaben. Ganz woandershin, womöglich.«
    »Raus?« Der entsetzte Blick, mit dem Billy Cleve ansah, war zu nackt, um ihn mehr als ein paar Sekunden lang zu erwidern.
    »Fort von hier, meinst du?«
    »Scheint mir schon so.«
    »Das können sie nicht!«
    »O doch, sie können. Sie nennen es die Geisterbahn. Eben bist du noch hier; gleich darauf…«
    »Nein«, sagte der Junge, die Hände plötzlich zu Fäusten geballt. Er hatte zu zittern begonnen, und einen Moment lang be-fürchtete Cleve einen zweiten Anfall. Aber Billy schien, durch einen Willensakt, die Zuckungen unter Kontrolle zu bekommen und richtete seinen Blick wieder auf den Zellengenossen. Die Blutergüsse, die ihm Lowell verpaßt hatte, waren zu Gelbgrau abgemildert, aber alles andere als verschwunden; seine unrasierten Wangen waren von blaßrötlichem Flaum überstäubt. Der Anblick des Jungen weckte in Cleve eine ungewollte Regung von Besorgnis.
    »Erzähl’s mir«, sagte Cleve.
    »Dir was erzählen?« fragte Billy.
    »Was bei den Gräbern passiert ist.«
    »Mir wurde schwindlig. Ich bin umgekippt. Erst im Krankenhaus kam ich wieder zu mir.«
    »Das hast du denen erzählt, ja?«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Da hab’ ich aber was anderes gehört. Wieso erklärst du nicht, was wirklich passiert ist? Ich möchte, daß du mir vertraust.«
    »Das tu’ ich«, sagte der Junge. »Aber ich muß das für mich behalten, verstehst du. Is’ ‘ne Sache zwischen ihm und mir.«
    »Dir und Edgar?« fragte Cleve, und Billy nickte. »Ein Mann, der außer deiner Mutter seine ganze Familie umbrachte?«
    Billy war deutlich bestürzt, daß Cleve im Besitz dieser Information war. »Ja«, sagte er nach einiger Überlegung. »Ja, er hat sie alle umgebracht. Er hätte auch Mama umgebracht, wenn sie nicht entwischt wäre. Er wollte die gesamte Familie auslöschen. Damit keiner mehr da wäre, in dem sich das böse Blut forterbte.«
    »Dein Blut ist böse?«
    Billy gestattete sich das denkbar schwächste Lächeln.
    »Nein«, sagte er. »Ich glaub’ nicht. Großvater hat sich geirrt.
    Die Zeiten haben sich geändert.«
    Er ist verrückt, dachte Cleve.
    Blitzschnell erfaßte Billy dieses Urteil. »Ich bin nicht geisteskrank«, sagte er. »Sag ihnen das. Sag es Devlin und jedem sonst, der danach fragt. Sag ihnen, ich bin ein Lamm.«
    Die Wildheit war wieder in seinen Augen. Da war nichts Lammähnliches vorhanden, wenngleich Cleve es unterließ, das zu äußern. »Sie dürfen mich nicht von hier wegverlegen, Cleve. Nicht, nachdem ich schon so nah dran bin. Ich hab’ hier was zu erledigen. Was Wichtiges.«
    »Mit einem Toten?«
    »Mit einem Toten.«
    Wie es sich auch im einzelnen mit der neuen Zielsetzung verhalten mochte, die Billy Cleve

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