Das 5. Gebot (German Edition)
gehörte zu den sichersten und zuverlässigsten Autos seiner Klasse, geradezu unkaputtbar. Unwahrscheinlich, dass ausgerechnet das Exemplar ihrer Mutter eine Ausnahme bilden sollte.
Wenn bloß ihre Hand nicht so schmerzen würde. Vicky überlegte, ob sie die Nachtschwester rufen sollte. Ach Quatsch, dachte sie, ich ziehe diese blöde Kanüle einfach selbst raus, bevor ich da lange rumdiskutiere. Irgendwas haben die nicht richtig gemacht, das darf nicht so wehtun. Vicky löste das Pflaster, mit dem die Kanüle an ihrer Hand befestigt war. Langsam zog sie die Nadel aus der Hand, es gab zwar einen schmerzhaften Stich, aber als die Kanüle draußen war, ließ der Schmerz sofort nach. Vicky schloss erleichtert die Augen.
Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie eingenickt war, aber sie schreckte zusammen, als sie ein Geräusch hörte. Vicky stellte sich schlafend. Sie hatte keine Lust, mit der Nachtschwester über die Kanüle zu diskutieren. Die Schwester schlich zu ihrem Bett und sah ihr ins Gesicht. Vicky hielt die Augen geschlossen und atmete so regelmäßig, wie sie es immer tat, wenn sie abends im Bett keine Lust hatte, von George gestört zu werden.
Die Nachtschwester schien etwas an dem Tropf zu kontrollieren, denn Vicky hörte das Gestell leise klappern. Sie linste durch die Augenschlitze und erstarrte. Neben ihrem Bett stand keine Nachtschwester, sondern ein dunkel angezogener Mann. Was machte der Kerl hier, mitten in der Nacht? Das war unter Garantie kein Arzt. Vickys Gedanken überschlugen sich. Sollte sie schreien? Besser nicht, stell dich weiter schlafend, sagte sie sich. Sie versuchte, durch ihre knapp ein Viertel geöffneten Augenlider zu erahnen, was der Kerl machte.
Sie sah, wie der Mann eine Spritze aufzog und in den Tropf spritzte. Bitte, bitte lieber Gott, betete sie, mach, dass er nicht die Kanüle an meiner Hand kontrolliert. Sie hatte sowohl die Hand als auch diese blöde Kanüle unter der Bettdecke. Nein, das würde er nicht wagen, sie könnte ja aufwachen. Oder? Was machte der Kerl da? Vicky musste alle ihre verbliebene Kraft darauf aufwenden, weiterhin gleichmäßig zu atmen. Dabei lauschte sie angestrengt. Sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde und der Mann einen hastigen Schritt Richtung Wand machte. Vicky sah den Lichtschein vom Flur, offensichtlich kontrollierte die Nachtschwester das Zimmer. Vicky fragte sich, ob sie jetzt laut schreien sollte. Würde ihr das helfen? Was würde passieren? Wer war dieser Kerl, der sich in der Dunkelheit des Zimmers versteckte? Noch während ihre Gedanken rotierten, wurde die Tür zu ihrem Zimmer wieder geschlossen. Vicky hörte von dem Mann nicht mal einen Atemzug. Sie atmete weiterhin so ruhig, wie es ihr möglich war. Der Mann würde warten, bis die Schwester außer Reichweite war, so viel war klar. Wie war er überhaupt hier hereingekommen? Bitte, bitte, lass ihn gehen, flehte sie innerlich. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie Angst hatte, er würde es hören. Ganz ruhig, einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Sie hörte ein Geräusch und linste wieder durch die Augenlider. Der Mann schlich auf Zehenspitzen zur Tür, sie sah nur seine Silhouette im schwachen Mondlicht, das durch die dünnen Vorhänge drang. Oh, danke, danke, danke, lieber Gott, betete Vicky zum wiederholten Mal an diesem Tag, obwohl sie nicht gläubig war. Sie sah den Lichtschein, als er die Tür öffnete. Er war weg.
„Ich bin gerettet.“ Sie hatte diesen Satz geflüstert, und im gleichen Moment fragte sie sich, wovor zum Teufel sie eigentlich gerettet war. Was war das gewesen? Der Kerl hatte irgendetwas an ihrem Tropf manipuliert. Was ihr nichts ausmachte, schließlich hatte sie die Kanüle aus dem Arm entfernt. Oh wie wunderbar, was für eine weise Voraussicht. Vicky hätte sich am liebsten selbst umarmt. Glückskind, wie immer. Aber wieso schleicht jemand mitten in der Nacht in mein Zimmer? Vicky sah auf die Armbanduhr, die auf ihrem Nachttisch lag. Zwei Uhr morgens. Das konnte kein Arzt gewesen sein. Das war jemand, der nichts Gutes im Schilde führte. Mit tödlicher Sicherheit. Vicky wurde heiß. Es war, als hätte jemand mit grüner Leuchtschrift auf die weiße Krankenhauswand geschrieben: Victoria soll sterben. Vicky sah den Satz ganz deutlich vor sich. Jemand hatte es auf sie abgesehen. Nicht auf ihre Mutter, auf sie, Victoria McIntosh, geborene Pratchett. Oder zumindest auch auf sie. Aber wieso? Warum? Wer? Weshalb? Wofür? Fielen ihr noch mehr Ws ein? Blödsinn, werd
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