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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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dann nimmst du den nächsten Zug nach London. Ruf mich an und sag, mit welchem Zug du kommst, dann holt Löwenjunge seine Vicky ab.“
    „Ich habe auch kein Handy mehr.“
    „Das ist vielleicht sogar besser so“, sagte Leo. „Ich werde dir eins besorgen. Aber jetzt sieh erst mal zu, dass du da wegkommst, ohne dass dir jemand folgt.“
    Als Vicky aufgelegt hatte, fühlte sie sich gleich besser. Im Telefonbuch fand sie die Nummer vom Langtry Manor. Glücklicherweise nahm der Portier ab, den sie von früher her flüchtig kannte, weil sie mit seinem Bruder zur Schule gegangen war. Vicky erklärte ihm so ruhig und plausibel wie möglich, dass sie ihre Sachen aus dem Haustresor benötige und die Rechnung mit Kreditkarte begleichen müsse. Sie bat ihn, nicht nachzufragen und keine Namen zu nennen, und merkte im selben Moment, dass sich das komplett paranoid anhören musste. „Hören Sie“, fügte sie hinzu, „ich weiß, das klingt jetzt, als hätte ich Verfolgungswahn. Aber ich darf auf keinen Fall meinem Ehemann in die Arme laufen oder einem der Detektive, die er beauftragt hat. Sie wissen ja, wie das bei einer schwierigen Scheidung so ist. Können Sie mir helfen, bitte?“ Vicky kreuzte beide Daumen und leistete bei George innerlich Abbitte. Er würde es verschmerzen müssen, als böser Gatte dargestellt zu werden, aber aus welchem Grund sollten sie je wieder im Langtry ein Zimmer buchen müssen? Auf jeden Fall klang diese Geschichte plausibler als die Wahrheit. Was aber war die Wahrheit?, fragte sich Vicky.
    Widerstrebend fand sich der Portier bereit, ihre Sachen aus dem Hoteltresor zu nehmen und ihre Kreditkarte mit der Schlussrechnung zu belasten. Außerdem versprach er, den Auszubildenden mit den Sachen zum Bahnhof zu schicken.
    Als Vicky eine Dreiviertelstunde später ihre Brieftasche mit dem Ausweis, ihrer Kredit- und Scheckkarte in der Hand hatte, fühlte sie sich fast schon wieder komplett. Sie wusste, dass sie jetzt so viel Bargeld wie möglich brauchte, damit sie für einige Zeit untertauchen konnte. Also nahm sie sich erneut ein Taxi und ließ sich zu einer Filiale ihrer Hausbank fahren, wo sie achttausend Pfund in bar von ihrem Konto abhob. Dann fuhr sie zurück zum Bahnhof und löste eine Fahrkarte nach London. Ihr Schädel dröhnte gewaltig, jeder Schritt schmerzte. Sie hatte gerade noch genug Zeit, Leo vom Bahnhof aus die Ankunftszeit in Waterloo durchzugeben. George hatte sie wieder nicht erreicht, es war wieder nur seine Mailbox dran. Auch über ihr Festnetz war er nicht zu erreichen gewesen, aber da war der Anrufbeantworter nicht angeschaltet. Merkwürdig. Mit letzter Kraft sank Vicky auf ihren Sitzplatz im Zug.

24. Waterloo Station
     
    Wenn sie ihn nicht entdeckt hätte, er hätte sie jedenfalls nicht bemerkt. „Wanderer, schau nicht hindurch, schau hinein“, sagte sie, als sie neben Leo auf dem Bahnsteig stand.
    „Häseken, das kann nicht dein Ernst sein, wo hast du denn das Staubtuch her?“ Er umarmte Vicky. „Damit erkennt dich deine eigene Mutter nicht.“
    „Meine Mutter ist vor einer Woche ermordet worden.“
    „Nicht wahr, oder?“, sagte Leo und nahm Vicky die Plastiktüte ab, während sie Richtung Ausgang gingen.
    „Ich erzähle wohl besser von Anfang an. Es ist so viel passiert, ich bin nicht mal dazu gekommen, dir zwischendurch eine Nachricht zu hinterlassen. Was ich jetzt dringend brauche, ist eine Dusche, etwas zu essen und jemand, der mir hilft, Ordnung in mein Gedankenchaos zu bringen.“
    „Na, dann komm mal mit“, sagte Leo und lotste sie geschickt durch die Menge. „Ich habe mich schon gewundert, warum ich seit einer Woche nichts von dir gehört habe.“
    „Und Ian?“
    „Ian ist auf einer Ausstellung in Osaka, anschließend auf einer Ausstellung in Seattle und danach auf einer Ausstellung in Budapest.“
    „Das klingt nach einer Menge Erfolg. Und du begleitest ihn nicht?“
    „Häseken, mein Mann steht auch nicht neben meinem Schreibtisch, wenn ich eine Kolumne oder ein Essay schreibe. Und meine Bücher liest er auch nicht vor. Also muss er seine Vernissagen schon allein bespielen. Wusstest du, dass seine Plastiken inzwischen nicht unter hunderttausend Pfund zu haben sind? Für die Miniausführung, versteht sich.“ Es war nicht zu übersehen, dass Leo, der sich einen Namen als Theaterkritiker gemacht hatte, vor Stolz fast platzte.
    „Früher bist du immer mitgereist.“
    „Früher wurde das Feuilleton der renommiertesten Zeitung des Vereinigten Königreichs

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