Das 5. Gebot (German Edition)
auch noch nicht mit meinem Foto geziert.“ Leo öffnete ihr die Autotür. Es war also wirklich alles in Ordnung zwischen Leo und Ian, stellte Vicky fest und merkte, dass sie sich darüber freute. Ich muss George anrufen, dachte sie.
25 . Krumme Lanke
Er stand im strömenden Regen vor der U-Bahn-Station Krumme Lanke. „Der Zug endet hier“, hörte man es vom Bahnsteig hinaufschallen. Mit einer Hand hielt er den Regenschirm, mit der anderen tippte er die Nummer, die Krzysztof ihm gegeben hatte, in den öffentlichen Fernsprecher. Er war gespannt auf die neuen Nachrichten aus England und hoffte inständig, dass sich das Thema endlich erledigt hatte.
„Paket in England verloren“, sagte Krzysztof. „Ruhig, ruhig, wir werden wiederfinden.“
Ruhig? Wie sollte er dabei ruhig bleiben? Er merkte, wie kalte Wut in ihm aufstieg. Was waren denn das für Amateure? Wie konnten sie die Frau verlieren? Hatte sie etwas gemerkt? Nein, er wollte keine Einzelheiten, je weniger er wusste, desto besser. Aber eins musste klar sein:
„Das Paket darf auf keinen Fall nach Deutschland gesandt werden! Verstehen Sie, es muss in England gefunden werden, habe ich mich klar ausgedrückt?“
„Klar, klar.. Sie sich auf uns verlassen können.“ Krzysztof hatte aufgelegt.
Beunruhigt ging er zurück zu seinem Wagen. Er hasste es, sich blind auf andere verlassen zu müssen. Aber er hatte keine Wahl.
„Und jetzt zum Kudamm“, sagte er zu seinem Fahrer, der auf dem Parkplatz von Kaiser’s auf ihn gewartet hatte. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er sich beeilen musste, denn das Mittagessen würde in knapp einer halben Stunde beginnen. Er öffnete seinen Aktenkoffer, um noch einmal die Agenda durchzugehen.
26. Kensington
Kurz nach ihrer Ankunft in Leos Wohnung rief Vicky bei George an. Schon wieder diese blöde Mailbox. Sie versuchte es zu Hause, niemand nahm ab, auch der Anrufbeantworter sprang nicht an. Hatten sie den nicht angestellt, als sie abgefahren waren? Verdammt! Vicky versuchte es erneut auf Georges Handy. „George, ruf mich doch bitte dringend zurück. Ich bin bei Leo.“ Vicky entging nicht, dass Leo sie ein wenig distanziert musterte. Sie zog seinen weiten, weißen Bademantel fester um sich. Das flauschige, duftende Frottee empfand sie als tröstlich.
„Hört sich so Liebe an?“, fragte Leo.
„Nein. – Verzweiflung?“
„Steckt er hinter deinem neuen Make-up?“ Leos Stimme klang ungläubig.
Vicky wärmte sich die Hände an einem Glas Latte Macchiato. Sie versuchte den Kopf zu schütteln, aber es schmerzte zu sehr. „Ich weiß nicht, was ich denken soll, ich weiß überhaupt nichts mehr, Leo.“
Als sie einen tiefen Schluck von dem herrlich heißen Kaffee nahm, fiel ihr ein, dass George weder die Nummer noch die neue Adresse von Leo hatte. Sie angelte sich Leos Telefon und sandte eine SMS mit Adresse und Telefon an ihren Mann.
„Erzähl. Von Anfang an.“
„Wenn ich nur wüsste, wo der Anfang ist.“
„Wann fing es denn an, schiefzugehen?“ Leo war ein wunderbarer Zuhörer.
Victoria rieb sich den schmerzenden Arm. „Vielleicht fing alles an mit diesem Traum. Den ich früher als Kind hatte. Ich hatte ihn schon fast vergessen. Als ich nach Berlin gezogen bin, kehrte der Traum plötzlich wieder. Ich bin irgendwo in einem wundervoll blühenden, üppigen Garten. Ich höre ein Gartentor quietschen, und dann läuft ein pummeliges, kleines Mädchen mit einem Blumenkleid auf mich zu. Sie streckt die Arme aus und ruft: Ela! Ela! Oder so ähnlich. Und dann wache ich auf und merke, dass mein Gesicht tränennass ist. Ich habe diesen Traum als Kind oft gehabt, wenn ich Fieber gekriegt habe oder wenn mir schlecht wurde, weil ich zu viel Eiscreme gegessen hatte. Ich bin mir sicher, dass das Kind um Hilfe ruft. Es sucht meine Hilfe.“
„Weißt du denn, wer das Kind ist?“, fragte Leo.
„Das Kind sei ich, hat meine Mutter gesagt. Irgendwann habe ich mit ihr ein altes Fotoalbum angeschaut, und da fiel ein Foto heraus. Das ist sie! Das ist das dicke Mädchen, das mir in meinen Träumen entgegenläuft. Das Mädchen mit dem Blümchenkleid , habe ich gesagt. Mum hat nur gelacht. Aber das bist du doch selbst, Dummerchen. Als das Foto gemacht wurde, da sei ich drei gewesen. Und das Blümchenkleid habe sie selbst genäht. Den Stoff habe sie bei Marks & Spencer im Ausverkauf billig geschossen.“
„Und was ist mit dem Gartentor?“
„Das habe ich sie auch gefragt. Wo ist das Gartentor, Mami? Das sei
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