Das 5. Gebot (German Edition)
ganz sicher ein Flugzeug besteigen. Je schneller ich hier wegkomme, desto besser. Leo, ein Mann hat geklingelt, und als ich aufgemacht habe, hat er mich gepackt und in die Wohnung gedrängt.“
„Oh Gott. Häseken, wo ist er, ist dir was passiert?“
„Vergiss es, Leo. Sie fantasiert, das sind die Spätfolgen einer Gehirnerschütterung. Als ich kam, war sie alleine und lag in der geöffneten Tür. Ist wahrscheinlich zu schnell aufgestanden. Da kam Vicky dann das Parkett entgegen.“
„Moment mal. Ganz langsam. Und noch mal von vorn. Vicky, wo ist der Mann, wie hat er ausgesehen?“
„Leo, es tut mir leid, ich bin so doof. Ich habe die Tür aufgerissen, ohne durch den Spion zu sehen. Ich war fest davon überzeugt, dass es nur Oli sein konnte. Ich war mir so sicher, dass uns keiner hierher gefolgt ist. Das kann man jetzt getrost vergessen. Sie wissen, wo ich bin, wer auch immer sie sind.“
„Ich verstehe nur Bahnhof“, sagte Oli.
Leo sah ihn zweifelnd an. „Ich bin mir nicht so sicher, dass ich dir das jetzt erklären will. So wie ich dich kenne, würdest du sofort die Polizei rufen. Und die können wir hier gerade nicht gebrauchen.“
„Na, dann kann ich ja gleich gehen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.“
„Kein Grund, so angezickt zu reagieren“, sagte Leo. „Ich verspreche dir, sobald wir Licht ins Dunkel gebracht haben, kriegst du die Geschichte als Erster serviert, inklusive Silbertablett und altem französischen Rotwein.“
Vicky stand vorsichtig auf und legte einen Arm um ihren alten Schulfreund. „Sei nicht böse, Oli, das Ganze ist so verworren, dass ich selbst nicht durchblicke. Leo hilft mir. Komm, Leo, zeig doch mal, was du mir Schönes mitgebracht hast.“
„Und ich dachte schon, du fragst gar nicht mehr“, sagte Leo und wühlte in einer verführerisch dunkelgrau glänzenden Tüte. „Was hältst du von diesem Traum in zartem Lachs?“
Vicky lächelte. „Leo! Das ist ja hinreißend! Komm, gib mal her. Mal sehen, ob es passt.“
„Natürlich passt es, das sieht man doch. Es ist absolut perfekt zu deinen dunklen Haaren und deinen dunklen Kulleraugen. Zumindest ein Kuller. Vom anderen schweigt der Dichter betreten.“
„Gib.“ Vicky nahm ihm den Bügel mit dem lachsfarbenen Hosenanzug aus der Hand.
„Halt“, rief Leo. „Und dann haben wir dazu noch dieses reizende Seidenblüschen, extra eine Nummer weiter, damit man den Verband darunter nicht sieht. Davon habe ich gleich zwei genommen, eins in Reinweiß, das andere in Schwarz, damit du was zum Wechseln hast.“
Vicky drückte Leo einen Kuss auf die Wange. „Er schafft es immer noch, die besten Sachen für mich zu finden“, sagte sie zu Oli, der vom Sofa aus die Szene musterte. „Wenn du wüsstest, wie mir das in Berlin fehlt! Jemand, mit dem man shoppen gehen kann. Jemand, der an einem Ständer vorbeiläuft und ruft: Vicky, hier wartet ein Samtblazer von galaktischer Schönheit auf dich!“
„Dein Angetrauter eignet sich sicher nicht dazu“, sagte Oli und grinste.
„Wenn du mit George in ein Kaufhaus gehst, zieht er ein Gesicht, als wäre ihm zur Strafe die Nachspeise gestrichen worden.“
„Ich sag doch, Männer und Frauen passen einfach nicht zueinander“, sagte Leo und drückte Vicky noch eine Tüte mit Unterwäsche in die Hand. „Halt“, rief er ihr hinterher, als sie sich schon auf den Weg machen wollte, „es fehlt noch das Tüpfelchen auf dem i.“ Er legte ihr ein riesiges, reinseidenes Kopftuch mit einem Motiv von lachsfarbenen Teerosen auf einem schwarzen Grund über den Arm. „Dein Staubtuch!“
Nachdem Vicky mit ihren neuen Klamotten im Gästezimmer verschwunden war, setzte sich Leo zu Oli.
„Glaub mir, Schatz, sie hat keinen Sprung in der Schüssel.“
Vicky hörte im Gästezimmer natürlich jedes Wort.
„Leo, du musst mir versprechen, dass du gut auf sie aufpasst. Ich gebe dir noch ein paar starke Schmerzmittel mit, damit sie das halbwegs übersteht. Leo, kein Witz, sie muss sich schonen.“
Vicky streifte sich unter erheblichen Schmerzen einen der neuen Slips über. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte Leo auch hier seiner Kreativität freien Lauf gelassen. Während Vicky in der momentanen Situation wahrscheinlich zu reinweißer Baumwolle gegriffen hätte, hatte Leo ihr zarte Spitze farblich passend zum Hosenanzug besorgt. Sie wusste genau, wie er das kommentieren würde: Häseken, stell dir vor, du liegst im Leichenschauhaus und der Pathologe muss dir so einen
Weitere Kostenlose Bücher