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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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er das nie vor einer Frau zugeben.
    „Kaum war meine Kleine in Hamburg, hat sie diesen Wirrkopf kennengelernt, diesen linken Spinner, diesen Demagogen, diesen Soziopathen im Jesus-Look. Der hat sie in die falschen Kreise gebracht, Politologen, Soziologen, Revoluzzer. Er war einer ihrer Anführer, natürlich, nur ein außergewöhnliches Alpha-Männchen konnte meiner begabten Tochter imponieren. Und er muss ihr sehr imponiert haben, denn nach ein paar Monaten dieser Mesalliance war Petra von ihm schwanger.“
    George hatte Grunwald gebannt gelauscht. Jetzt sah er, wie der Alte wieder in die Kiste griff und lächelnd ein Bild hervorholte. „Hier“, sagte er, „das sind sie, meine beiden kleinen Augensternchen, Birgit und Manuela.“ Er reichte ihm eine Farbaufnahme, die jetzt reichlich verblasst war und etwas Unwirkliches an sich hatte. Auf einem blass giftgrünen Rasen saßen zwei pummelige Mädchen in hellrosa geblümten Kleidchen, das eine breitbeinig mit einem gestreiften Ball zwischen den gespreizten Beinen, daneben ihre Zwillingsschwester, die versuchte, den Ball von ihrer Schwester zu ergattern. Die beiden machten jenes verknautschte, ernsthafte Gesicht, das kleinen Kindern zu eigen ist, wenn sie total in ihr Spiel versunken sind. Ihre Haare kräuselten sich zu Hunderten dunkelbrauner Locken, und ihr Gesichtsschnitt war der ihrer Mutter und Großmutter. Aber schlimmer noch – George erkannte dieses Gesicht sofort. Vicky trug ein Bild von sich selbst als Kind an der Hand ihrer Mutter Fiona immer bei sich. Auf dem Foto, das Grunwald ihm gereicht hatte, war eindeutig Vicky zu sehen. George schluckte.
    „Petra hat die Babys einfach bei uns abgegeben. Sie störten sie beim Studieren, wie sie es nannte. Dabei hat sie gar nicht studiert. Könnt ihr auf sie aufpassen? , hat sie meine Frau gefragt.“
    George atmete tief durch. Er schaute hoch in das versteinerte Gesicht des alten Mannes. „Ich verstehe überhaupt nichts mehr“, sagte er. „Diese Frau sieht aus wie meine Frau Vicky. Wir haben vor ein paar Tagen ihre Mutter Fiona in England begraben. Aber Fiona hatte nicht die leiseste Ähnlichkeit mit ihrer Tochter.“
    Der Alte kramte wieder in der Kiste.
    „Warten Sie.“ Gerhard Grunwald zog einen Zeitungsausschnitt aus der Kiste. „Nein, nein, das ist nicht die Mutter. Das hier ist die Mutter der Zwillinge. Meine Tochter Petra. Die Mörderin.“
    George griff danach. Es war ein vergilbter Ausschnitt aus der Berliner Lokalzeitung Der Tagesspiegel vom Februar 1978. Von einem grobkörnigen Schwarz-Weiß-Foto schaute George das bekannte Gesicht aus großen, dunklen Augen fragend an. Diesen skeptischen Ausdruck kannte er von Vicky, sie kräuselte manchmal genauso die Stirn.
    Die Überschrift lautete: „Rote Armee Fraktion: Suche nach Petra Grunwald ausgedehnt.“
    George las den Artikel langsam, um ihn auch richtig zu verstehen. Erschüttert gab er ihn dem Alten zurück. „Mein Gott, das muss ja furchtbar für Sie gewesen sein. Habe ich das richtig verstanden? Ihre Tochter war Mitglied der RAF, der Roten Armee Fraktion? War das nicht die deutsche Terrorgruppe, die in den 70er Jahren ganz Europa in Atem gehalten hat und Politiker und Wirtschaftsführer und Flugzeuge und was weiß ich noch entführt hat?“
    „Ich sagte ja, in die falschen Kreise gekommen. Dabei hatte sie so ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Sie hat sich immer für die Armen und Schwachen eingesetzt. Aber dieser Kerl, in den sie sich in Hamburg verliebt hatte, der hat sie dazu verführt, alles zu verraten. Sogar ihren eigenen Taufpaten, ihren Onkel Lothar und seine Frau Susanne, unsere besten Freunde.“
    „Das verstehe ich nicht, wieso verraten?“, fragte George.
    „Als Verbandschef war Lothar natürlich gut bewacht damals, so wie wir alle, in der Blütezeit der RAF. Wir waren als Wirtschaftsführer ja beliebte Ziele für die RAF. Aber Petra kannte alle Schwachstellen und privaten Verhältnisse und hat sie ihren Revoluzzerfreunden verraten. Der Mord an Susanne und Lothar war nur mit Insiderwissen durchführbar. Meine eigene Tochter hat meinen besten und ältesten Freund verraten. Wir sind schon zusammen zur Schule gegangen. Können Sie sich das vorstellen? Ihren Taufpaten?“
    George schüttelte den Kopf. „Nein, ehrlich gesagt nicht. Und wie ging es dann weiter?“
    „Sie können sich nicht vorstellen, was damals hier los war. Die Polizei hat eine Großfahndung nach Petra und ihren Freunden veranstaltet. Ganz Deutschland war

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