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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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etwa eine halbe Rolle für ihre Knöchel verbraucht hatte.
    Das Tablett mit Geräten, die er für ihre Amputation draußen gelassen hatte, schien in dem trüben Licht zu glitzern und zu funkeln, das einzige helle, leuchtende Ding in dem Raum. Sie waren etwa in eineinhalb Meter Entfernung zu ihrer Rechten auf dem Boden ausgelegt worden und verhöhnten sie.
    »Ich bin so verdammt großartig«, sagte Tara und spuckte Blut. Tara saß auf der anderen Seite des Gebäudes aufrecht gegen ein eisernes Rohr gelehnt, etwa sieben Meter von Reggie entfernt. Ihr Oberkörper war wieder und wieder mit silbernem Klebeband umwickelt worden, hielt sie an dem Rohr fest. Ihre Arme waren frei, aber es befand sich nichts in Reichweite. Ihr rechter Arm endete in einer Unmenge von weißem Verband.
    »Tut es weh?«, fragte Reggie und blickte auf die Stelle, wo Taras rechte Hand gewesen war.
    »Das könnte man sagen«, sagte Tara, verzog das Gesicht. »Der Hurensohn hat mir seit gestern Abend kein Morphium mehr gegeben.«
    Reggies Blick wanderte zurück zu der Säge und dem Skalpell, dem Stapel mit Verbänden.
    Sieh sie nicht an, sagte sie zu sich selbst. Gerate nicht in Panik. Denk einfach nach.
    Reggies Kopf explodierte in einer großen, dunklen Blüte aus Schmerz, als sie versuchte, sich in dem leerstehenden Lagerhaus umzusehen. Ihre aufgeschürften Ellbogen und ihre rechte Hüfte pochten. Ihre Wange fühlte sich aufgerissen und verkrustet an.
    Sie blickte auf ihre eigene Brust hinab und sah, dass der Sanduhranhänger außerhalb ihres Shirts lag, das Glas war zerbrochen, rosafarbener Sand rann heraus.
    Du hast eine Minute Zeit, um einen Weg hier heraus zu finden. Wenn du es nicht tust, dann werdet ihr beide sterben.
    »Wo sind wir?«, fragte Reggie, versuchte, ihr rasendes Herz zu beruhigen.
    »In der Hölle«, antwortete Tara stumpfsinnig.
    Reggie reckte ihren schmerzenden Hals. Sah die bogenförmigen Metallwände sich über ihnen wölben, als befänden sie sich in einer riesenhaften Blechbüchse, die der Länge nach in zwei Hälften geschnitten worden war. Das Gebäude war etwa sieben Meter breit und vierzehn Meter lang. Es gab keine Fenster, nur eine große, hölzerne Schiebetür am Ende, und einen riesigen Ventilator darüber.
    »Es ist eine Wellblechhütte, eine sogenannte Quonset-Hut«, sagte Reggie und fühlte eine seltsame Erleichterung. Dies war nicht irgendeine magische Höhle eines Wahnsinnigen: Es war ein Gebäude. Ein Gebäude, über das Reggie zufällig eine Menge wusste. Sie hatte an der Rhode Island Schule für Design studiert, in demselben Staat, in dem die Quonset-Hut entwickelt worden war. Und sie hatte das Gebäude ganz genau kennengelernt, als sie den Passivhausumbau für das Paar in Bennington gemacht hatte.
    »Sie sind nach Quonset Point auf Rhode Island benannt«, sagte Reggie, verfiel in den Tonfall, den sie bei Universitätsvorlesungen benutzte. »Sie wurden ursprünglich von der Marine zu Beginn des Zweiten Weltkriegs entwickelt. Sie brauchten einen Schutzraum, der preiswert, leichtgewichtig und transportabel war und der schnell aufgebaut werden konnte, nur unter Benutzung von manuellen Werkzeugen.« Reggie blickte sich zu den gewellten Metallwänden um, die von den Stahlbögen gestützt wurden. Das Metall war angelaufen, stellenweise rostig. Dieses Gebäude hatte hier seit langer Zeit gestanden.
    »So beeindruckt ich auch von deinem Wissensreichtum bin«, sagte Tara, »aber das nützt uns nicht das Geringste.«
    Doch Tara irrte sich. Es tat Reggie ungeheuer gut. In der Lage zu sein, die Dinge zu analysieren, sie zu kategorisieren und zu benennen, sich auf die strukturellen Elemente zu konzentrieren – es holte die Dinge, zumindest für den Augenblick, aus dem Reich der Albträume und in die reale, greifbare Welt.
    Reggie erinnerte sich an den Artikel im Boston Globe, der ihre Arbeit an der Wellblechhütte in Bennington behandelte. Darin war ein Bild der Besitzer am Küchentisch, die Schränke hatten eine fröhliche, zitronengelbe Farbe mit kobaltblauen Akzenten, während Licht durch die nach Süden hinausgehenden Fenster strömte. »Dufrane kann zaubern«, hatten sie dem Journalisten gesagt. »Sie macht das Unmögliche möglich.«
    Die Hütte, in der sich Reggie jetzt wiederfand, war alles andere als hell und fröhlich. Ein paar trübe Glühbirnen von uralten Leuchten glommen über ihren Köpfen. Die Schiebetür wurde von einem Spalt Sonnenlicht gerahmt, und der Wind bewegte den Ventilator darüber, warf

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