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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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überhaupt nicht rauchte. Er hielt nichts davon. Noch vor einem Monat hatte er Tara geärgert, indem er ihr Bilder von geschwärzten Raucherlungen gezeigt hatte. Seine Mutter war eine starke Raucherin gewesen und an Krebs gestorben, als Charlie zehn war. Reggie konnte sich daran erinnern, wie sie zu dem Haus gegangen war, als seine Mutter noch am Leben war, und dass sie, wenn sie herauskam, wie ein Aschenbecher gerochen hatte. Trotzdem war seine Mutter wirklich nett gewesen. Sie hatte Reggie beigebracht, wie man das Fadenspiel Cat’s Cradle spielte und wie man ein mehrfarbiges Götterspeise-Parfait zubereitete. Die Frau konnte mit Götterspeise Wunder vollbringen. Einmal, am President’s Day, brachte sie einen Götterspeiseabguss in der Form von Mount Rushmore für ihre zweite Klasse mit. Es war drei Jahre her, seit sie gestorben war, und Reggie vermisste Mrs Berr wie verrückt. Und wenn sie sie so vermisste, konnte sie sich kaum vorstellen, wie Charlie sich fühlen musste.
    Tara schob ihm die Packung hin. »Du kannst deine eigene haben.«
    Tara war Charlies Mom nie begegnet. Sie war letztes Jahr nach Brighton Falls gezogen, nachdem ihre Eltern sich hatten scheiden lassen. Ihr Dad blieb in Idaho mit seiner neuen Freundin, die, wie Tara sagte, nur halb so alt war wie ihre Mutter. Die Freundin war schwanger, was bedeutete, dass Tara einen kleinen Halbbruder oder eine Halbschwester haben würde, aber sie schien von dem Gedanken nicht allzu begeistert.
    »Es ist ja nicht so, als ob ich das Kind jemals zu sehen bekommen würde«, hatte Tara gesagt. »Ich meine, warum sollte ich? Mein Dad betrachtet diese ganze Sache als seine zweite Chance, um die perfekte Frau und das perfekte Kind zu bekommen. Es ist ja nicht so, als würde er wollen, dass ich bei ihm herumhänge und ihn daran erinnere, wie ätzend sein Leben früher war.« Sie sagte es, als würde es ihr nichts ausmachen, doch danach beobachtete Reggie, wie sie sich in die Haut um ihre Fingernägel zwickte bis es blutete.
    Tara und ihre Mom hatten eine winzige Zweizimmerwohnung in dem Grist-Mill-Apartmenthaus gemietet, wo Leute lebten, die arbeitsunfähig waren oder Sozialhilfe bezogen. Es war ein großes, zweistöckiges Gebäude in L-Form mit einem Hof voller Glasscherben und Zigarettenkippen, wo immer zwei alte Männer auf einer Bank hockten, wie ein Paar Wasserspeier. Tara schwor, dass einer von ihnen ihr einmal seinen Penis gezeigt hatte. Lorraine mochte es nicht, dass Reggie zu dem Grist-Mill-Apartmenthaus ging, daher log sie, bei den seltenen Gelegenheiten, wenn sie hinging, ihre Tante deswegen an.
    In den ersten paar Tagen in der Schule saß Tara beim Mittagessen allein an einem Tisch in der Ecke. Es war Charlies Idee, sie zu ihnen an den Tisch einzuladen.
    »Sie sieht wie ein Freak aus«, hatte Reggie sich beklagt.
    »Oh, und wir sind das nicht?«, hatte Charlie gesagt und war aufgestanden, um mit Tara zu reden, ohne auf Reggies Zustimmung zu warten.
    Taras Mom war in Brighton Falls aufgewachsen und hatte hier immer noch Familie. Das war jedenfalls das, was Tara sagte, aber Reggie sah nie irgendwelche Tanten, Onkel oder Cousinen oder hörte auch nur von ihnen. Wenn sie Tara drängte, ihr mehr zu erzählen, wechselte Tara das Thema. Ihre Mom arbeitete als Kellnerin drüben im Denny’s an der Flughafenstraße. Wenn sie nicht arbeitete, war sie in ihrem Schlafzimmer und schlief oder guckte Fernsehen, während sie Kaffee trank, der mit Brandy versetzt war. Manchmal fuhren Reggie, Charlie und Tara mit ihren Fahrrädern hinaus zum Denny’s, und Taras Mom spendierte ihnen den Nachtisch. Ihre Augen waren immer verschwollen und hatten dunkle Ringe, und ihre Haut roch süßlich nach Alkohol, als würde Brandy aus ihren Poren dringen.
    Tara sprach nicht viel von ihrem Dad, und es klang nicht, als würde er jemals anrufen oder ihr Briefe schreiben oder so etwas. Reggie hatte gehört, wie Taras Mom sie angefahren hatte, als Tara sie um neue Schuhe gebeten hatte. »Gott, Tara, warum rufst du nicht deinen betrügerischen Vater an und bittest ihn, all den verfluchten Unterhalt zu zahlen, den er noch schuldig ist? Vielleicht könnten wir uns dann deine schicken neuen Schuhe leisten. Ich bin sicher, dass das kleine Baby, das er bekommt, bereits hundert Paar hat.«
    Tara klaute schließlich die Schuhe, die sie haben wollte. Ihre Mutter war immer entweder bei der Arbeit oder sie schlief und schien die mysteriösen Ergänzungen zu Taras Garderobe nicht zu bemerken. Sie konnte

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