DAS 5. OPFER
Hauptgründe war, warum sie nie nach Hause zurückgekehrt war.
Sie bereute, es Len erzählt zu haben. Er machte sie wahnsinnig mit seinen Populärpsychologieanalysen der ganzen Angelegenheit.
»Du bist auch Neptuns Opfer, weißt du«, hatte er gesagt, als sie letzten Freitagabend zusammen im Bett lagen. Sie hatten ein paar Flaschen seines hausgemachten Löwenzahnweins geöffnet und sie beide hatten ein wenig zu viel getrunken. Er malte mit seinen Fingerspitzen langsame Kreise um ihren Bauch.
»Wieso das?«, hatte Reggie gefragt. Sie hatte gewusst, dass eine zweite Flasche Wein eine schlechte Idee gewesen war. Len wurde immer sehr philosophisch und emotional, wenn er betrunken war.
»Sieh dir dein Leben an, Reg. Du hast alles, aber auf gewisse Weise ist es so unfruchtbar.« Er lallte die Worte ein wenig.
»Unfruchtbar?«, sagte sie. Sie setzte sich auf, zwang ihn, seine Hand von ihrem Magen zu nehmen.
»Du richtest all diese Wände um dich herum auf. Du redest nicht mit den Leuten.«
»Ich rede mit einer Menge Leute«, stieß Reggie hervor und zog die Bettdecke über ihrer nackten Brust hoch. »Ich reise um die Welt und rede mit Leuten.«
»Ich meine wirklich reden, Reg. Hast du dir jemals erlaubt, jemandem wirklich nahezukommen? Hattest du jemals eine Beziehung, die sich fest und dauerhaft angefühlt hat? Ich meine, sieh dir uns an. Sobald es sich anfühlt, als würden wir die nächste Ebene erreichen, flippst du total aus und fängst an, mich wegzustoßen.«
Jetzt war ihre Wut definitiv entfacht. »Du bist auch nicht gerade der Bindungswilligste. Wenn ich mich recht erinnere, warst du derjenige, der eine Beziehung ohne Bedingungen wollte. Und ich muss sagen, du scheinst ziemlich damit zufrieden zu sein, zu kommen und zu gehen, wie es dir gefällt, wie ein Kater.«
Es war eine Beziehungsart, die ihnen beiden passte. Sie waren sich vor vier Jahren in einer Galerie begegnet, die mehrere von Lens Bildern zeigte. Er malte abstrakte geometrische Formen und Linien, die an Bleiglasfenster erinnerten. Reggie war von der Sauberkeit und dem Gleichgewicht in seinen Arbeiten angezogen worden. Und sie fand seinen zerzausten Künstlerlook geradezu sexy. Sie kaufte zwei seiner Bilder und fragte ihn, ob er mir ihr ausgehen wolle.
Er machte klar, dass er nicht auf der Suche nach einer Beziehung war. Er hatte vor ein paar Jahren eine unschöne Scheidung durchgemacht und sagte, er wäre einfach nicht bereit, sich auf jemanden einzulassen.
»Wer hat etwas von sich auf jemanden einlassen gesagt?«, hatte Reggie gefragt. »Ich rede von einer Tasse Kaffee, einem Glas Wein vielleicht.«
»Weiter nichts?«, hatte Len mit hochgezogenen Augenbrauen gefragt.
»Falls du wissen willst, ob ich nach der dritten Verabredung mit einem Umzugswagen bei dir auftauchen werde, ist die Antwort: Nein. Ich bin ganz zufrieden alleine. Doch manchmal ist es nett, ein wenig Gesellschaft zu haben. Einen Mitverschwörer, mit dem man die kalten Nächte verbringen kann.«
Er hatte gelächelt. »Keine Bedingungen?«
»Wenn du keine Bedingungen willst, dann bin ich dein Mädchen«, hatte sie versprochen.
Sie hatten seitdem eine Immer-mal-wieder-Beziehung geführt, trafen sich zu Kinoabenden, Partys, selbst zu Wochenendtrips. Sie genossen die Gesellschaft des anderen, doch nach mehr als zwei Tagen zusammen, fing Reggie an, sich leicht panisch und klaustrophobisch zu fühlen. Je näher sie Len kam, desto öfter passierte das, und sie erwischte sich dabei, wie sie kleine Dinge tat, um ihn zu ärgern und von sich zu stoßen. Len hatte recht. Es lag einfach nicht in ihrer Natur, sich zu erlauben, anderen Leuten zu nahezukommen. Es war ein Schutzmechanismus, den sie vor Jahren entwickelt hatte, einer, mit dem sie sich total wohlfühlte. Und jetzt kam Len und ließ sie die Weisheit ihrer Handlungsweise infrage stellen.
»Ich bin glücklich«, sagte Len. »Ich führe ein Leben, das zu mir passt. Aber der Unterschied zwischen dir und mir, Reg, der wirkliche Unterschied, ist der, dass ich keine Angst davor habe, andere Leute hineinzulassen. Ich fürchte mich nicht davor, jemanden zu lieben.«
»Also bin ich jetzt unfähig zu lieben?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, du hättest Angst.«
»Das ist eine kühne Vermutung. Was in aller Welt lässt dich das denken?«
»Du denkst, alle werden dich verlassen. Dass wir in dieser Welt leben, in der in jeder Sekunde jemand, den du liebst, entführt werden könnte.«
»Bockmist«, sagte Reggie sauer, weil
Weitere Kostenlose Bücher