DAS 5. OPFER
eines weißen Sedan. Reggie erstarrte, mit den Tüten in der Hand, als die Frau, mit einem freundlichen Grinsen im Gesicht, aus dem Wagen sprang.
»Regina Dufrane? Mein Gott, sind Sie es wirklich?«
Reggie blickte blinzelnd auf die Frau mit dem gesträhnten blonden Haar. Sie trug ein fesches kleines Businesskostüm und Pumps. Ihr Gesicht war stark von Falten durchfurcht, die mit einem hellen Make-up überdeckt waren. Sie hatte etwas sehr Vertrautes an sich. Vielleicht war sie eine Freundin von Lorraine? Oder eine entfernte Verwandte?
Reggie stellte die Tüten wieder in ihrem Truck ab und ging um das Auto, um das Gesicht der Frau aus der Nähezu betrachten. »Es tut mir leid, Sie sind …?«
»Martha Paquette«, antwortete die Frau mit dem gesträhnten Haar mit einem Lächeln, das ihr Gesicht in eine furchteinflößende Grimasse verwandelte. Sie hielt Reggie ihre Hand hin. »Es ist so schön, Sie wiederzusehen, Regina.«
Reggie trat zurück.
»Wie geht es ihr? Ihrer Mutter? Hat sie irgendetwas über ihre Gefangenschaft gesagt?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Reggie und hasste es, dass ihre Stimme dabei zitterte. »Dies ist ein Privatgrundstück. Ich möchte, dass Sie gehen.«
Neptuns Hände war Martha Paquettes einziger großer Erfolg gewesen. Sie hatte andere Bücher geschrieben, doch keines von ihnen hatte funktioniert. Reggie hatte die schrecklichen Kritiken gesehen und konnte nicht umhin, ein seltsames Gefühl von Befriedigung zu verspüren.
Weiterhin lächelnd, griff Martha in ihre Lederhandtasche und zog ein Foto heraus. »Ich weiß, dass sie am Leben ist. Und sie ist hier.« Es war ein Bild von gestern, als Reggie ihre Mutter von der Gruppe der Feuerwehrmänner weggezogen hatte. Mist. Der junge Feuerwehrmann mit dem Mobiltelefon musste es geschossen haben. Es war inzwischen wahrscheinlich überall im Internet zu sehen.
»Sie können Sie nicht einfach versteckt halten«, sagte Martha. »Es gibt Fragen, die beantwortet werden müssen. Nun, ich weiß, dass Ihre Mutter vor zwei Jahren in einem Obdachlosenasyl in Worcester auftauchte. Und ich weiß auch, dass wir aufgrund ihrer Diagnose nicht viel Zeit haben. Also, was ich denke, worauf wir uns konzentrieren sollten …«
»Wo haben Sie das gehört?«, zischte Reggie, machte einen bedrohlichen Schritt auf Martha zu.
»Wenn ich einfach mit Vera reden könnte, ihr ein paar Fragen stellen könnte, dann, da bin ich mir sicher …«
»Sie werden nicht in die Nähe meiner Mutter kommen! Jetzt machen Sie, dass Sie von unserem Grundstück kommen, bevor ich die Polizei rufe.«
Martha nickte, wandte sich ab, um die Tür ihres Wagens zu öffnen. Dann blickte sie zurück zu Reggie. »Wissen Sie, er ist immer noch da draußen. Ich denke, wir schulden es seinen Opfern, Vera, alles zu tun, was wir können, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen.«
»Und dabei ein paar weitere Bücher zu verkaufen, würde nicht schaden, nicht wahr?«
Martha duckte sich, setzte sich auf den Fahrersitz und schloss die Tür. Sie ließ das Fenster herunter. »Ich würde in eine Alarmanlage investieren. Wenigstens in ein paar anständige Türriegel.«
Reggie seufzte schwer. »Warum sind Sie noch hier?« Sie zog ihr Mobiltelefon hervor.
»Denken Sie, dass Neptun sie einfach so hat gehen lassen, Regina? Denken Sie, dass er, wer immer er ist, sich einfach zurücklehnen wird, damit sie der Welt erzählen kann, was sie weiß?«
16 18. Juni und 19. Juni 1985 – Brighton Falls, Connecticut
ICH HABE ETWAS FÜR DICH, Reg«, kündigte George an, als sie in die Küche kam. »Es liegt dort auf dem Tisch.«
George war dabei, Käse auf die Lasagne zu streuen, die er gerade zubereitet hatte. Lorraine stand vor der Spüle und wusch den Salat. Vera saß am Tisch, die Beine übereinandergeschlagen, und trank einen Gin Tonic. George kam ungefähr einmal die Woche herüber und aß mit ihnen, und manchmal kochte er. Lorraines Mahlzeiten bestanden aus einem ständigen Wechsel von Fisch und Hacksteak mit überbackenen Kartoffeln aus der Packung. Vera bereitete gar nichts zu, abgesehen von Kaffee und Cocktails. Reggie war sich nicht einmal sicher, ob Vera wusste, wie man den Ofen anstellt. Wenn George kochte, war es für gewöhnlich etwas Italienisches: Hackfleischbällchen, Canneloni, gefüllte Muscheln – er bereitete die Sauce selbst zu und behauptete, es wäre das Geheimrezept seiner sizilianischen Großmutter.
In der Küche roch es fantastisch – die Gerüche von Knoblauch und Tomaten und
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