Das 500 Millionen Komplott (German Edition)
bedeutete wie: Ich vertraue dir nicht wirklich. Mit eher gemischten Gefühlen akzeptierte Grabowski seinen zweifelhaften Auftrag, was in diesem Milieu mehr bedeutete als jeder Vertrag.
Irritiert über sich selbst verließ er die Bar. Er war durcheinander und fand keine Antworten mehr auf immer mehr Fragen, die ihn beschäftigten. Irgendwie war er in den Sog der Machthaber geraten, die das wohl schrecklichste Verbrechen an der Menschheit planten und er wurde zu ihrem Handlanger. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, einen Mord begehen zu müssen. Doch seit nicht einmal einer halben Stunde befand er sich in dieser Situation und je mehr er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, keine andere Wahl zu haben, wenn er sich nicht selbst zum Gejagten machen wollte. Er dachte an sein Opfer, das sicherlich genauso unschuldig in diese Sache hineingeraten war wie er selbst.
Grabowski kannte sich mit den Gepflogenheiten in Moskau einigermaßen aus und wusste, wie schwer es sein würde, um diese Zeit ein offizielles Taxi zu bekommen. Das war aber nicht weiter schlimm, denn eigentlich war jedes Fahrzeug in gewisser Weise ein Taxi. Kaum hatte er die Hand gehoben, hielt auch schon ein alter Lada, der Grabowskis Einschätzung nach mindestens zwanzig Jahre auf dem Buckel hatte. Er beugte sich etwas herunter undhandelte durch die offene Seitenscheibe mit dem Fahrer den Preis aus, der sich ein paar Rubel dazuverdienen wollte. Genau wie sein Lada schien er die besten Jahre seines Lebens längst hinter sich zu haben. Sicherlich schraubte er den Tarif kräftig nach oben, als er das Fahrtziel hörte: das Ritz-Carlton-Hotel.
Grabowski sah auf seine Armbanduhr, während der geschwätzige Fahrer, der ein tief zerfurchtes Gesicht hatte, seinen Lada auf eher unorthodoxe Weise durch den nächtlichen Straßenverkehr manövrierte. Grabowski war froh, dass zu dieser Stunde wenig los war. Er glaubte, gerade die ganze Lebensgeschichte des Fahrers zu erfahren, der sich oft zu ihm umdrehte und darüber klagte, wie teuer alles geworden sei: Lebensmittel, Benzin, Reparaturen, einfach alles. Er müsse illegal Taxi fahren, um seine große Familie durchzubringen. Seit Glasnost sei es so und er begann, auf die russische Politik zu schimpfen, wobei kein Staatspräsident der jüngeren Vergangenheit glimpflich davonkam.
Grabowski hörte gar nicht mehr zu. Er kannte die Masche, die auf die Tränendrüse drückte, in der Hoffnung auf ein großzügiges Trinkgeld. Seine Gedanken kreisten eher um die Tänzerin, die er in seinem Hotel erwartete. Er überlegte, wie er ihr schonend beibringen sollte, dass er nichts von ihr wollte. Und er musste sie dazu bringen, dem Syndikat gegenüber zu schweigen und stattdessen zu erzählen, dass sie sich die ganze Nacht mit ihm vergnügt hätte. Für Kurochkin musste es so aussehen, als sei er tatsächlich schwach geworden. Möglicherweise war sie eine Art Spitzel mit dem Auftrag, Grabowski im Auge zu behalten. Er musste mit allem rechnen und entsprechend vorsichtig sein.
Als er das Foyer des Ritz-Carlton betrat, wurde er von einem Portier mit einem verschmitzten Lächeln begrüßt.
»Eine Dame erwartet Sie.« Grabowski war es peinlich, denn es lag auf der Hand, was diesem Menschen gerade durch den Kopf ging. Völlig daneben lag er ja auch nicht. Andererseits, weshalb sollte es peinlich sein? Jeder wusste, wie die Prostitution in Moskauer Hotels der gehobenen Klasse blühte.
In Erwartung, eine leicht bekleidete junge Frau anzutreffen, die offen ihre weiblichen Reize zur Schau trägt, betrat Grabowski die Hotelbar. Er erkannte die Tänzerin sofort, die mit übereinandergeschlagenen
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