Das 500 Millionen Komplott (German Edition)
eingestehen, die ein oder andere Information ausgeplaudert zu haben. Er befand sich im Zwiespalt, ob es für ihn beruhigend sein konnte, dass sie nicht hinter ihm her war, sondern hinter Pavel Kurochkin. Es stand außer Frage, wie Kurochkin reagieren würde, sollte er jemals erfahren, wer dem russischen Geheimdienst wichtige Informationen verraten hatte.
Grabowski bekam Selbstzweifel im Gespräch mit Anastasija, als sie ihn über die katastrophalen Zustände im sibirischen Tomsk aufklärte. Ehemalige Atomwissenschaftler lebten dort mit ihren Familien in völlig verstrahlten Landschaften, die kaum mehr als solche zu betrachten waren. Sie zeigte ihm ein Foto, auf dem der Fluss Tomsk zu sehen war und mitten in der verwilderten Uferlandschaft ein verwittertes Schild mit der Aufschrift ›Baden verboten wegen atomarer Verseuchung‹.
Sie erzählte davon, in welch ärmlichen Verhältnissen die Menschen dort lebten, einst wohlhabend, als die Atomforschungsanlagen noch in Betrieb waren. Zu dieser Zeit war das ganze Gebiet eine hermetisch abgeriegelte verbotene Zone. Niemand durfte hinein, allerdings auchniemand heraus. So waren es zumeist auch Menschen, die sich in ihrem Leben irgendetwas zu Schulden kommen ließen und so als Zwangsarbeiter in Tomsk landeten. Dennoch führten sie ein Luxusleben. Es fehlte ihnen an nichts, bis die Forschungsanlagen stillgelegt wurden, sie aber weiterhin das Gebiet nicht verlassen durften. Das hatte einerseits mit ihrer Verstrahlung zu tun, andererseits mit absoluter Geheimhaltung. Niemand in der Welt sollte erfahren, an welcher Art atomarer Waffen dort geforscht wurde.
Die Arbeitslosigkeit und die Tatsache, dass die Menschen völlig allein gelassen auf sich selbst gestellt waren, führte sie in eine unerträgliche Armut, begleitet von einem täglichen Kampf ums Überleben. So ist es kein Wunder, dass sie Geschäfte mit der Mafia begannen. Plutonium stand in reichlichen Mengen zur Verfügung und die Mafia zahlte gut, jedenfalls aus der Sicht der völlig verzweifelten Menschen. Wüssten sie, zu welchen Beträgen die Mafia ihre Ware weiterverkauft, würden sie zweifellos ganz anders denken.
Grabowski zwang sich, sich das Plutoniumgeschäft trotz des verlockenden Profits aus dem Kopf zu schlagen und darauf zu konzentrieren, weshalb er nach Moskau gereist war. Zum wiederholten Mal klappte er das Streichholzbriefchen auf, in dessen Deckel der Name seines Freundes stand.
Grabowski war der letzte Gast in der Hotelbar, kämpfte gegen Müdigkeit an und wäre deshalb zu gern in sein Zimmer gegangen. Doch er erwartete noch jemanden, der von Kurochkin angekündigt worden war. Die ganze Zeit war dieser Mensch bereits anwesend, verbarg sich in einer finsteren Ecke, wo ihn niemand bemerkte und machte heimlich Fotos.
Es verging noch eine halbe Stunde, bis dieser Unbekannte seine Deckung verließ und neben Grabowski auftauchte. Wortlos setzte er sich neben Grabowski auf einen Barhocker und bestellte einen Wodka. Der Barkeeper stellte ein Glas auf den Tresen und füllte es randvoll mit Wodka. Es schien so, als ob der Mann kein Unbekannter war. Er bedankte sich und kippte den Alkohol in einem Zug weg.
»Adrian Grabowski?«, fragte er plötzlich mit rauer Stimme, obwohl er genau wusste, dass er es war.
»Sie kommen von Pavel Kurochkin?«, reagierte Grabowski und sah dabei den Mann an, den er auf Mitte fünfzig schätzte. Durch sein eingefallenes Gesicht und seine dunklen Augenringe wirkte er krank. Dafür sprach auch seine äußerst schmächtige Gestalt. Grabowski gewann den Eindruck, ein Gespenst neben sich zu haben. Sein erster Gedanke war, er könne zu Kurochkins
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