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Das 6. Buch des Blutes - 6

Das 6. Buch des Blutes - 6

Titel: Das 6. Buch des Blutes - 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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das Auge eines Affen, auf dem Rücken einer Eidechse Sonnenschein auf Steinen. Ein schwindelerregender Ringelreihen solcher Nachahmungen, ein Spiegelkabinett, das die Sinne verwirrte und, ließ man ihm die nötige Zeit, den Verstand ruinieren würde.
    Schau uns nur an, dachte er trunken, während sie um Cherricks Grab standen; schau, wie wir selbst das Spiel mitspielen. Wir leben, aber wir ahmen die Toten besser nach als die Toten selbst.
    Bis sie ihn in einen Sack gesteckt und zu dem erbärmlichen Stückchen Land hinter Tetelmans Haus geschleppt hatten, um ihn zu begraben, war der Leichnam ein einziger Schorf gewesen. Hier befanden sich ein halbes Dutzend weiterer Gräber.
    Ausnahmslos Europäer, wie die Namen verrieten, die behelfsmäßig in die Holzkreuze eingebrannt waren; von Schlangen getötet, der Hitze oder dem Verlangen.
    Tetelman versuchte, ein kurzes Gebet in Spanisch zu sprechen, aber das Rauschen der Bäume und das Kreischen der Vögel, die vor Einbruch der Dunkelheit zu ihren Nestern heimkehrten, übertönten ihn fast. Schließlich gab er auf, und sie machten sich auf den Rückweg ins kühlere Innere des Hauses, wo Stumpf saß, Brandy trank und wie stumpfsinnig auf den dunklen Flecken auf dem Dielenboden starrte.
    Draußen schaufelten zwei von Tetelmans domestizierten Indianern die feuchte Dschungelerde auf Cherricks Sack. Sie hatten es eilig, mit der Arbeit fertig zu werden, damit sie vor Einbruch der Nacht verschwinden konnten. Locke beobachtete sie vom Fenster aus. Die Totengräber sprachen nicht bei der Arbeit, aber sie schütteten das flache Grab auf, dann stampften sie die Erde, so gut sie konnten, mit den Ledersohlen ihrer Mokas-sins fest. Dabei nahm das Stampfen der Erde einen Rhythmus an.
    Locke fiel ein, daß die Männer wahrscheinlich von schlechtem Whiskey betrunken waren. Er kannte wenige Indianer, die nicht wie die Löcher soffen. Jetzt fingen sie auch noch an, ein wenig taumelnd, auf Cherricks Grab zu tanzen.
    »Locke?«
    Locke erwachte. Eine Zigarette glomm in der Dunkelheit.
    Als der Raucher daran zog und die Spitze heller glühte, schälten sich Stumpfs verbrauchte Züge aus der Dunkelheit.
    »Locke? Bist du wach?«
    »Was willst du?«
    »Ich kann nicht schlafen«, antwortete die Maske. »Ich habe nachgedacht. Das Versorgungsflugzeug kommt übermorgen von Santarem. Wir könnten in ein paar Stunden dort sein. Dies alles hinter uns lassen.«
    »Klar.«
    »Ich meine für immer«, sagte Stumpf. »Fort.«
    »Für immer?«

Stumpf zündete sich an der Glut der Zigarette die nächste an, bevor er sagte: »Ich glaube nicht an Flüche. Das kannst du mir glauben.«
    »Wer hat etwas von Flüchen gesagt?«
    »Du hast Cherricks Leichnam gesehen. Was mit ihm passiert ist…«
    »Es gibt eine Krankheit«, sagte Locke. »Wie heißt sie doch gleich? Wenn das Blut nicht richtig gerinnt.«
    »Hämophilie«, antwortete Stumpf. »Er hatte keine Hämophilie, das wissen wir beide. Ich habe ein dutzendmal gesehen, wie er sich gekratzt oder geschnitten hat. Und es verheilte wie bei dir oder bei mir.«
    Locke schnappte sich einen Moskito, der auf seiner Brust gelandet war, und zerdrückte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger.
    »Also gut. Was hat ihn dann umgebracht?«
    »Du hast die Verletzungen besser gesehen als ich, aber ich hatte den Eindruck, als wäre seine Haut einfach aufgebrochen, sobald man sie berührte.«
    Locke nickte. »So hat es ausgesehen.«
    »Vielleicht etwas, das er sich bei den Indianern geholt hat.«
    Locke dachte darüber nach. »Ich habe keinen von ihnen angerührt«, sagte er.
    »Ich auch nicht. Aber er, erinnerst du dich?«
    Locke erinnerte sich. Solche Szenen waren nicht leicht zu vergessen, wie sehr man es auch versuchte. »Herrgott«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Was für eine verdammte Situation.«
    »Ich kehre nach Santarem zurück. Ich möchte nicht, daß sie kommen und nach mir suchen.«
    »Das werden sie nicht.«
    »Woher weißt du das? Wir haben dort Scheiße gebaut. Wir hätten sie bestechen können. Oder sie auf eine andere Weise von ihrem Land vertreiben.«
    »Das bezweifle ich. Du hast gehört, was Tetelman gesagt hat. Land der Väter.«
    »Du kannst meinen Anteil des Landes haben«, sagte Stumpf.
    »Ich will nichts davon.«
    »Also ist es dein Ernst? Du verschwindest?«
    »Ich fühle mich schmutzig. Wir sind Schänder, Locke.«
    »Es ist dein Bier.«
    »Ehrlich. Ich bin nicht wie du. Ich hatte eigentlich nie den Nerv für so etwas. Kaufst du mir mein Drittel

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