Das 6. Buch des Blutes - 6
Drittel des Landes angeboten, zusätzlich zu Cherricks Anteil, und Locke, immer Realist, hatte eingewilligt. Die Vereinbarungen, die sträflich waren, wurden am nächsten Tag ausgearbeitet. Am Abend dieses Tages kam, wie Stumpf gehofft hatte, das Versorgungsflugzeug.
Locke, dem Tetelmans verächtliche Blicke reichten, hatte gleichfalls beschlossen, mit nach Santarem zu fliegen, sich dort ein paar Tage den Dschungel aus dem Körper zu trinken und erfrischt zurückzukehren. Er wollte neue Vorräte einkaufen und, wenn möglich, einen zuverlässigen Fahrer und Schützen anheuern.
Im Flugzeug war es laut, verkrampft und eng. Die beiden Männer wechselten während des ganzen Fluges kein Wort miteinander. Stumpf betrachtete immerzu die Ausdehnung ungefällter Wildnis, über die sie hinwegflogen, obwohl sich das Bild von Stunde zu Stunde kaum veränderte. Ein dunkelgrünes Panorama, gelegentlich vom Glitzern einer Wasserfläche unterbrochen. Vielleicht stieg hier und da eine Rauchwolke in die Höhe, wenn Land gerodet wurde, sonst nichts.
In Santarem verabschiedeten sie sich mit einem kurzen Handschlag, nach dem sämtliche Nervenenden in Stumpfs Hand brannten und ein winziger Riß sich im zarten Fleisch zwischen Zeigefinger und Daumen öffnete.
Santarem ist nicht Rio, dachte sich Locke, während er zu einer Bar im südlichen Teil der Stadt ging. Sie wurde von einem Vietnamveteranen geführt, der eine Vorliebe für spontane Tiernummern hatte. Es war eines von Lockes sicheren Vergnügen – und eines, das er nie satt bekam –, dabei zuzusehen, wie es eine hiesige Frau, deren Gesicht so tot wie ein kalter Maniokkuchen war, für ein paar schmierige Dollarscheine mit einem Hund oder einem Esel trieb. Die Frauen in Santarem waren im großen und ganzen so schal wie das Bier, aber Locke hatte kein Auge für Schönheit beim anderen Geschlecht. Es war nur wichtig, daß ihre Körper hinreichend funktionstüchtig und nicht von Krankheiten befallen waren. Er fand die Bar und verbrachte einen angenehmen Abend bei schmutzigen Reden mit dem Amerikaner. Als er dessen überdrüssig war – kurz nach Mitternacht –, kaufte er eine Flasche Whiskey und machte sich auf die Suche nach einem Gesicht, dem er seine Brunst aufdrängen konnte.
Die Frau mit dem Silberblick war kurz davor, sich einer von Lockes speziellen Neigungen zu fügen – die sie ihm standhaft verweigert hatte, bis die Trunkenheit sie davon überzeugte, auch das letzte bißchen Würde aufzugeben, das sie vielleicht noch haben mochte –, als es an der Tür klopfte.
» Fuck « , sagte Locke.
»Si«, sagte die Frau. »Fook. Fook.« Bumsen schien das einzige Wort zu sein, das sie in einer dem Englischen gleich-kommenden Sprache beherrschte. Locke achtete nicht auf sie und kroch betrunken zum Rand der fleckigen Matratze. Wieder das Klopfen an der Tür.
»Wer ist da?« fragte er.
» Senhor Locke?« Die Stimme auf dem Flur war die eines Jungen.
»Ja?« sagte Locke. Er hatte die Hose in den zerwühlten Laken verloren. »Ja? Was willst du?«
» Mensagem « , sagte der Junge. » Urgente. Urgente. «
»Für mich?« Er hatte die Hose gefunden und zog sie an. Die Frau, die ob dieser Störung gar nicht unglücklich war, beobachtete ihn vom Kopfende des Bettes aus und spielte mit einer leeren Flasche. Locke knöpfte die Hose zu und ging mit drei Schritten vom Bett zur Tür. Er sperrte auf. Der Junge auf dem dunklen Flur war von indianischer Herkunft, wofür die schwarzen Augen und der eigentümliche Glanz der Haut sprachen. Er trug ein T-Shirt mit dem Coca-Cola-Motiv.
» Mensagem, Senhor Locke«, sagte er noch einmal, »… do hospital. «
Der Junge sah an Locke vorbei zu der Frau auf dem Bett. Er grinste von einem Ohr zum anderen angesichts ihrer Kapriolen.
»Krankenhaus?« fragte Locke.
» Sim. Hospital Sacrado Coraçã de Maria. «
Das kann nur Stumpf sein, dachte Locke. Wen kannte er sonst in dieser Ecke der Hölle, der nach ihm schicken lassen würde? Niemanden. Er sah auf das grinsende Kind hinunter.
»Vem comigo«, sagte der Junge, »vem comigo. Urgente.«
»Nein«, sagte Locke. »Ich werde nicht kommen. Jetzt nicht.
Verstehst du? Später. Später.«
Der Junge zuckte mit den Achseln. »…Tá morrendo«, sagte er.
»Er stirbt?« fragte Locke.
»Sim. Tá morrendo.«
»Soll er doch. Verstehst du mich? Geh zurück und sag ihm das, ich komme erst, wenn ich fertig bin.«
Der Junge zuckte wieder mit den Achseln. »E meu din-
heiro?« fragte er, als Locke die Tür
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