Das abartige Artefakt
haben. Wie viele Höhlen am Ende der Gänge standen inzwischen leer, weil ihre Bewohner hinter den Abgrund des Vergessens verbannt worden waren?
Drei komplette Stammesstädte hatte dieses Schicksal inzwischen ereilt. Die eine war geflutet worden, die nächste verfallen, während in der letzten die Sitzsteine noch warm waren und sich an ihre einstigen Herren erinnern konnten, die sie hatten verlassen müssen. Es war noch nicht lange her, dass der Stamm des Feuers für die Verfehlungen seines Anführers hatte büßen müssen. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Häuptling in Ungnade fiel. Der Höchste der Hohen hegte keinen Zweifel daran: Wenn das Eherne Volk sein Leben weiterhin nach den Gesetzen der Altvorderen ausrichtete, dann würde es sich über kurz oder lang komplett selbst entzwergen. Der Große Verwalter aber, der Herr aller Zwerge, würde den Weg der Tradition bis zum Ende gehen, und wenn er sich schlussendlich selbst verbannen musste. Er fühlte sich von den Göttern ausersehen, in ihrem Namen zu herrschen und zu handeln. Ungleich mehr noch seit dem tragischen Ende des Orakels.
Doch die Götter waren zurückgekehrt. Und zwar in Gestalt eines Steines. Zurück zu jenem Zwerg, der ihre Sprache wirklich zu sprechen und ihre Weissagungen zu deuten vermochte. Zum höchsten Priester des Ehernen Volkes, dem wahren Auserwählten. Der Stein hatte die Geheimnisse der Gottzwerge mit ihm geteilt. Die geistliche Zierde der Zwergenheit hatte an seiner Pfeife gesogen und ihm gelauscht, und der Stein hatte ihm gezeigt, wie er sein Bild und seine Stimme in ein magisches Prisma bannen und darüber mit anderen Zwergen sprechen konnte. Er hatte dieses unglaubliche göttliche Geheimnis mit ihm geteilt. Die Mitglieder des Schicksalszwergs hatten jeder eines dieser Prismen bekommen, mit deren Hilfe der Erwählte unter den Verfehlten sie zu dieser Stunde hinunter in das Feuerloch bestellt hatte. Und der Alleroberpriesterlichste zweifelte nicht daran, dass sie erscheinen würden. Möglicherweise mit Widerwillen, aber sie würden erscheinen. Denn der Ewige Schmied hatte eine weitere Aufgabe für sie, eine weitere Aufgabe für den Schicksalszwerg. Und wie hätten sie sich dem Willen der Götter widersetzen können? Einmal mehr lag das Schicksal der gesamten Zwergenheit in ihren Händen. Der Untergang war noch nicht abgewendet, das tödliche Gift noch nicht aus dem Leib des Ehernen Volkes entfernt. Das Gift mochte inzwischen ein anderes sein, Verderben brachte es aber dennoch, und dann blieb bloß noch eines: das Ende von allem, jedem und dem Rest.
Doch der Ewige Schmied wusste, was zu tun war. Und er hatte dieses Wissen mit dem Gläubigsten aller Gläubigen, dem Flammenden unter den Glimmenden und dem Besten unter den Guten geteilt.
Der Höchste der Hohen war voller Zuversicht. Denn der Ewige Schmied war mit ihm. Und zwar in seiner Tasche, um genau zu sein.
Funkensprungk riss ihn aus seinen Gedanken.
„Herr, kann ich noch etwas für Euch tun?“
Der Priester lächelte. Er wusste, worum es ging.
„Nimm nur deinen Lohn, Totensenker, und achte darauf, dass niemand von dieser Zusammenkunft erfährt.“
Er griff unter seinen groben Grubenumhang und in die Falten der Robe, die er darunter trug, nahm aus einem kleinen ledernen Schmuckbeutel zwei Brocken Gold heraus und reichte sie Funkensprungk.
Der griff danach und entfernte sich dann hastig mit kleinen Schritten und unter Verbeugungen rückwärts über die Brücke in Richtung der umlaufenden Empore, von der aus die Leitern zu den Quartieren der Totensenker hinaufführten. Dort angekommen ließ er das Gold in seine Kutte gleiten, stieg auf eine der Leitern und kletterte zu seiner Schlafkammer empor.
Aus sicherer Höhe schaute der geistliche Führer der Zwergenheit in die tosende Lava am Fuß der Felsensäule hinab.
Dies war der Ort, an dem alles begann und endete.
Das Feuerloch, wo die Zwerge in der Hitze des ältesten aller Feuer ihre Nachfahren ausbrüteten und ihre Toten zu Grabe trugen. Diesem Ort wohnte eine große Macht inne. Er war der Anfang und das Ende, wo die Seele, kaum dass ein Zwerg geschlüpft war, in seinen Körper fuhr, und diesen, wenn er am Ende in den Flammen aufging, auch wieder verließ. Die Seelen ganzer Generationen waren in dieser Höhle gegenwärtig, eine unermessliche Kraft, die zwergische Essenz aus Leben und Tod, in ewigem Feuer gebunden…
In diesem Moment kam das zweibeinige Gedächtnis auf seinen Herrn zugeeilt.
„Oh
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