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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
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dass es am besten gewesen wäre, wenn ich einfach den Kopf eingezogen und zur Tür des Gerichtsgebäudes gerannt wäre, aber ich blieb wie angewurzelt stehen. Woher wusste Scalia, wer ich war? Da fiel mir Stans paranoides Geschwätz wieder ein.
    Sie haben Dossiers …
    »Die Tabakbranche muss sich große Sorgen machen«, sagte Scalia, während ich dastand wie ein Reh, das er mit seinen Autoscheinwerfern geblendet hatte. »Wir haben ihnen wohl Angst eingejagt, denn sonst hätten sie nicht einen der ihren hierhergeschickt.«

ZEHN
    Um zehn vor acht ging ich durch das Großraumbüro auf meinem Stockwerk – so früh hatte ich Terra noch nie betreten. Es war keine Absicht gewesen. Ich hatte eigentlich vorgehabt, das Ganze recht locker anzugehen, da ich davon ausging, dass mein Schicksal sowieso schon besiegelt war. Aber um sechs Uhr morgens war ich hellwach gewesen, und jeder Versuch, mich einfach umzudrehen und wieder einzuschlafen, war kläglich misslungen. Nikotin hatte fast einen Herzanfall bekommen, als ich sie aus dem Tiefschlaf gerissen hatte, weil ich über ihr Hundebett gestolpert war. Ihre Rache war fürchterlich gewesen.
    Etwa ein Viertel der Belegschaft war bereits da, aber niemand arbeitete – die meisten liefen nur herum, unterhielten sich und suchten nach Kaffee. Ich versuchte, gelassen auszusehen. Deshalb steckte ich die Hände in die Hosentaschen und lächelte Leute an, die offenbar gegen den Drang ankämpften, vor mir zurückzuweichen.
    Wahrscheinlich wirkte ich doch nicht so gelassen. Es war mir zwar durch pure Willenskraft gelungen, meinen Kopf einigermaßen freizubekommen, aber gegen das flaue Gefühl in meinem Magen konnte ich nichts tun. Rein intellektuell war mir klar, dass das alles gar nichts mit mir zu tun hatte – ich war lediglich ein Pfand in einem Spiel, das schlecht für mich ausgehen würde. Aber es fiel mir schwer, mir nicht wenigstens für eine Weile etwas vorzumachen. Schließlich hatte man mich in Paul Trainers Privatflugzeug nach Montana geschickt, um eines der wichtigsten Ereignisse in der langen Geschichte der Tabakindustrie zu beurteilen. Es schadete sicher nicht, wenn ich das noch ein wenig genoss. In ein paar Tagen würde Trainer meinem Vater eins ausgewischt haben und mich feuern. Dann konnte ich mir immer noch überlegen, wie ich am besten zu Kreuze kroch.
    Hinter der Trennwand an Stans Schreibtisch raschelte es. Ich legte meine Arme auf den Raumteiler und stützte das Kinn darauf – in der modernen Bürowelt war es ein Vorteil, so groß zu sein wie ich.
    »Wie geht’s, Stan?«
    Er schien ein wenig überrascht zu sein, mich zu sehen.
    »Du bist früh dran, Trevor.«
    Inzwischen wusste jeder auf dem Stockwerk, dass mein Bericht nur einen Satz enthalten hatte und Paul Trainer gestern in mein Büro gekommen war. Die Gerüchteküche brodelte mit Sicherheit: Spekulationen, Anfragen bei Kontakten auf anderen Stockwerken, eine genaue Untersuchung meiner bisherigen Tätigkeit in der Firma. Verhielten sich meine Kollegen so merkwürdig, weil sie mich schon unter den lebenden Toten wähnten? Dachten sie etwa allen Ernstes, Paul Trainer würde ein Killerkommando herschicken, um mich und alle in der Firma, mit denen ich je ein Wort gewechselt hatte, loszuwerden?
    »Ich konnte nicht schlafen. Und? Was erzählt man sich so, Stan?«
    Da er anscheinend nicht mit seinem Stuhl nach hinten rollen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen dicken Hals vorzustrecken, um mich anzusehen. Offenbar sollten die anderen denken, dass er arbeitete. »Nichts Interessantes, Trevor. Nur viel zu tun.«
    Ich lachte. »Wem sagst du das.«
    Stille breitete sich zwischen uns aus, und ich beschloss, nichts dagegen zu unternehmen. Ich hatte gerade nichts Besseres zu tun.
    Schließlich hielt es Stan nicht länger aus und sagte: »Ich hab dich im Fernsehen gesehen.«
    Mir war gar nicht bewusst, dass ich im Fernsehen gewesen war. Aber es war natürlich sehr unwahrscheinlich, dass sich die Medien eine persönliche Konfrontation zwischen Angus Scalia und dem Spross einer alten Tabakfamilie entgehen ließen.
    »Wirklich?«
    »So ein Scheißkerl«, sagte Stan. »Du hättest ihn umhauen sollen. Es wäre schön gewesen, wenn er auf seinem fetten Hintern gelandet wäre.«
    Und das war’s. Stan fragte nicht, warum ich in Montana gewesen war oder was ich über den Prozess erfahren hatte, das ihn die Stelle kosten konnte oder auch nicht. Er lächelte nur höflich, senkte den Kopf und schnappte sich einen Stapel

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