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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
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sagen. Wir zahlen bereits über zweihundert Milliarden Dollar an die einzelnen Bundesstaaten – was mehr ist als die gesamten Gewinne von neunzehnhundertfünfzig bis heute. Um weiterhin solche hohen Summen an die Raucher ausgeben zu können, werden wir wohl gezwungen sein, die Preise für Zigaretten immer weiter zu erhöhen. Das wird so ähnlich wie die Sozialversicherung funktionieren – die aktuellen Raucher werden die Rechnung für die Raucher der Vergangenheit bezahlen.«
    Da Scalia keine vorformulierte Antwort darauf zu haben schien, kam er etwas vom Thema ab, um Zeit zum Überlegen zu haben. »Zigaretten sind seit Hunderten von Jahren eine Geißel der Gesellschaft. Es gibt Beweise dafür, dass die Tabakindustrie wiederholt gelogen hat, was die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens angeht, und die Regierung sie dabei auch noch gedeckt hat. Was die Regierung angeht, so hat der Durchschnittsbürger doch schon vor Jahren seine Stimme verloren. Es werden immer nur die gleichen Leute wiedergewählt, Leute, die Sklaven der Tabakindustrie sind und nur deren Interessen dienen. Doch die Öffentlichkeit hat immer noch die Möglichkeit, sich mithilfe des Gerichtssystems Gehör zu verschaffen. Mr Barnett hat verschwiegen, dass Zigaretten durch jede Preissteigerung, die auf eine Gerichtsurteil folgt, irgendwann einmal so teuer werden, dass niemand mehr sie kaufen will. Und dann bricht das Imperium zusammen.«
    »Nette Verschwörungstheorie, die Sie da erwähnen«, sagte ich. »Aber meiner Meinung nach spiegelt die Einstellung der Regierung zum Rauchen lediglich die Einstellung der Öffentlichkeit zu diesem Thema wider.«
    »Es war ja zu erwarten, dass Mr Barnett so reagiert«, erwiderte Scalia. »Er stammt nämlich aus einer Tabakdynastie, deren Wurzeln fast bis zu den Anfängen unseres Landes zurückreichen. Seine Familie hat mehr Tote zu verantworten als das Dritte Reich.«
    Flag versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. Anspielungen auf Hitler machten sich im Fernsehen immer gut. Ich dagegen wurde wütend. Genauer gesagt fuchsteufelswild. Warum? Es war nicht das erste Mal, dass mich jemand einen Nazi genannt hatte.
    Die Antwort auf Scalias Provokation fiel mir in einer weiteren langen Pause ein, die ich inzwischen lieber als dramatisch und nicht mehr als dumm bezeichne. In Wahrheit war ich kein Nazi. Ich war nicht einmal gut genug, um ein Nazi zu sein. Ich war nur einer von diesen schlaffen Dumpfbacken, die in die Häuser der Juden einzogen und von ihren Tellern aßen und die Bücher in ihren Regalen lasen, während sie sich die ganze Zeit über Mühe gaben, nur ja nicht darüber nachzudenken, wohin denn die vielen Juden verschwunden waren.
    Man hat sie getötet? , sagten sie immer, während sie noch ein Stück Apfelstrudel auf eine silberne Gabel spießten, die mit den Initialen eines Toten verziert war. Du meine Güte. Aber wie hätte ich das denn wissen sollen?
    Jetzt könnte man natürlich denken, dass das für mich eine äußerst verwirrende Erkenntnis war – ein entscheidender Augenblick sozusagen. Man könnte denken, ich würde aufspringen und die Übel des Tabaks verkünden oder meine Sünden gegen die bemitleidenswerten Kreaturen bereuen, die diesen schönen Planeten mit mir teilten. Leider spürte ich nichts dergleichen. Ich empfand lediglich eine abgrundtiefe Abscheu, die sich nicht nur gegen mich selbst richtete, sondern auch gegen Scalia, die Medien, Paul Trainer, meinen Vater. Eigentlich gegen jeden auf dieser Welt, egal, ob er noch lebte oder schon tot war.
    »Ich halte es für etwas scheinheilig, wenn Mr Scalia mich als Nazi bezeichnet, obwohl er doch derjenige ist, der dem Rest der Vereinigten Staaten seine Werte aufzwingen und den amerikanischen Bürgern damit ihre Freiheit nehmen will«, sagte ich, während ich mich durch meine Nichtoffenbarung sonderbar gestärkt fühlte.
    »Ihre Freiheit? Meinen Sie damit die Freiheit der Menschen, sich von Ihnen ermorden zu lassen? Oder geht es Ihnen eher um die Freiheit, ein Produkt herstellen zu können, das jedes Jahr Hunderttausende von Menschen tötet und dieses Land Milliarden Dollar für medizinische Behandlung kostet?«
    »Mr Scalia, Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Höhe der staatlichen Gesundheitsausgaben völlig aus der Luft gegriffen ist. Die Anti-Tabak-Lobby sagt jedem, der es hören will, dass Raucher zehn Jahre früher sterben als Nichtraucher, aber wenn wir unsere patriotische Pflicht tun und sterben, bevor wir in die unproduktivsten und

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