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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
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Schatten des Aufbaus hinter der Bühne heraus, wobei mir plötzlich auffiel, wie heiß es in der Sonne war. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass wir fast eine Stunde zu spät gekommen waren, was bedeutete, dass meine Zuschauer und ihre Kinder noch länger in dieser Hitze herumgestanden hatten. Das dürfte ihre Laune nicht gerade verbessert haben – es war nur ein weiteres Beispiel für die Geringschätzung, mit der das Management die Arbeiter in den Fabriken behandelte.
    Als ich mir ihre versteinerten Gesichter ansah, kam ich zu dem Schluss, dass mein Vater wahrscheinlich recht gehabt hatte: Paul Trainer versuchte, mich der Sache zu opfern. Es würde nicht mehr lange dauern, bis jemand von ihnen mit einer Hypothek, einem Bund im College und einer kranken Schwiegermutter eine Waffe zog und mich erschoss. Meine Mutter würde sich meine Hinrichtung auf ihrem HDTV-Großbildschirm ansehen, ihre botoxgelähmte Stirn nur ansatzweise runzeln und noch eine Valium einwerfen. Mein Vater würde die Reportage von einer Angestellten aufnehmen lassen und dann nie die Zeit finden, sich die Aufzeichnung anzusehen. Anne würde mit den Achseln zucken. Darius würde mir zu Ehren eine Party geben und seine geheuchelte Trauer missbrauchen, um noch ein paar Mädels ins Bett zu kriegen.
    »Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass wir zu spät gekommen sind«, sagte ich in das Mikrofon. »Wir haben nicht gedacht, dass es so lange dauern würde, um herzukommen.«
    Ein wütender Mann mit einer Haut, die aussah wie getrocknete Lava, und der unvermeidlichen Baseballmütze mit Aufdruck griff in seine Jacke, und ich ging in Deckung.
    Nein, nicht, dass ich zusammengezuckt und einen Schritt zurückgewichen bin, oder dass ich mich unwillkürlich geduckt habe. Ich meine damit, dass ich mich auf den Boden hinter das Rednerpult geworfen habe. Und von dort sah ich dann, wie der Mann seine buschigen Augenbrauen runzelte und eine Sonnenbrille aus der Jacke zog.
    Und wenn ich Ihnen sage, dass es ganz schön schwierig ist, so etwas zu überspielen, können Sie mir das ruhig glauben. Ich stand wieder auf, bürstete mir den Staub von der Hose und sagte: »Tut mir leid. Mir ist meine Rede heruntergefallen.«
    Als verwirrtes Gemurmel durch die Menge ging, fiel mir auf, dass von dem, was ich bis jetzt gesagt hatte, noch kein Wort wahr gewesen war. Wann war ich zum Lügner geworden?
    »In Wirklichkeit habe ich gestern Abend zu viel getrunken und musste auf dem Weg hierher anhalten, um mich zu übergeben. Man hat mir gesagt, dass ich hier eine Besprechung mit ein paar Leuten vom Management habe – ich hatte keine Ahnung, dass Sie hier in der Hitze rumstehen und auf mich warten, sonst hätte ich einfach das Fenster heruntergefahren.« Ich machte mir nicht Mühe, die Reaktion meines Publikums abzuwarten, sondern legte die gefaxte Rede vor mich und starrte mit zusammengekniffenen Augen durch das grelle Sonnenlicht.
    »Ich spreche im Namen von Terras Management, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass es uns leid tut, Sie ohne jede Vorwarnung mit dieser Situation zu konfrontieren – es wäre uns lieber gewesen, wenn wir Sie vorher hätten informieren können, damit Sie darauf vorbereitet gewesen wären, aber das war nicht möglich.« Ich hob den Blick, stellte aber sofort fest, dass mich das noch nervöser machte. Positiv war jedoch, dass Adrenalin anscheinend gut gegen einen Kater ist.
    »Wie Sie alle wissen«, las ich weiter, »beschneidet der Staat seit Jahren die Freiheit der Amerikaner. Man kann sich kaum noch an die Zeiten erinnern, in denen es nicht von Leuten gewimmelt hat, die versuchen, Gesetze zu erlassen, die uns verbieten, unsere Hunde auf der Ladefläche unseres Pick-ups zu transportieren, oder uns das Recht auf eine Waffe absprechen wollen. Zeiten, in denen wir selbst bestimmen konnten, wie wir unser Leben führen wollen, ohne Einmischung der Gerichte, ohne Behinderung durch die Politiker in Washington …«
    Ich blätterte zur zweiten Seite. »Das Problem dabei ist, dass es Freiheit nicht umsonst gibt, und wir herausfinden müssen, ob Amerika noch gewillt ist, den hohen Preis dafür zu bezahlen. Dieses Land steht an einem Scheideweg. Wird der Staat alles überwachen, was wir tun? Wird er uns das wegnehmen, was seiner Meinung nach schlecht für uns ist? Wird er uns wie Kinder behandeln? Wo soll das alles hinführen? Werden wir erst nach Kanada fliegen müssen, wenn wir zu jemandem sagen wollen, dass wir ihn für einen Idioten halten? Um etwas zu trinken?

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