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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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knapp über ihre Schultern fiel, ein makelloses, markantes Gesicht mit großen, azurblauen Augen, vollen, sinnlichen Lippen, leicht hervorstehenden Wangenknochen und einer geraden, schmalen Nase. Ein Gesicht, das bis vor zwanzig Jahren von den Titelblättern zahlreicher Magazine strahlte. Bis sie zum zweiten Mal schwanger wurde und ihre Karriere zugunsten der Familie aufgab. Aber sie sagte, sie habe es nie bereut, denn erst durch die Kinder habe sie den wahren Sinn des Lebens erkannt. Und sie war eine gute Mutter und versuchte den Kindern das zu geben, was sie brauchten, sie schimpfte nur selten, nicht ein einziges Mal hatte sie ihre Hand heben müssen.
    Sie waren eine intakte Familie – bis vor acht Jahren. Irgend etwas war geschehen, irgend etwas Unheimliches hatte sich in diese Harmonie gedrängt, langsam, schleichend, unbemerkt. Und als sie es bemerkten, war es zu spät. Erst war es Carla, die sich zunehmend veränderte und eines Tages einfach verschwunden war. Wohin, das wußte keiner. Sie suchten sie, schalteten die Polizei ein, aber es gab keinen Hinweis darauf, wo Carla sich aufhielt. Und je mehr Zeit verstrich, desto mehr waren sie überzeugt, daß Carla tot war. Nur einer wollte nicht an Carlas Tod glauben, Patrick, ihr Bruder. Es war eine fast abgöttische Liebe, die er fürseine Schwester empfand, und er setzte all seine Energie ein, sie zu finden oder zumindest eine Gewißheit zu haben – entweder ob sie lebte und einigermaßen wohlbehalten war, oder ob sie tot war. Wenn die Polizei und seine Eltern auch längst die Hoffnung und Suche aufgegeben hatten, er war überzeugt, sie eines Tages zu finden.
    Und er hatte sie tatsächlich gefunden, doch irgend jemand wollte nicht, daß er sie mit nach Hause nahm. Man hatte seine Leiche am Stadtrand von Friedberg entdeckt, zwei Kugeln aus einer 357er Magnum hatten seine Brust und seinen Kopf durchdrungen.
    Patricks Mutter war bei der Nachricht zusammengebrochen, sie hatte zunächst für mehrere Tage jegliche Nahrungsaufnahme verweigert und war von einem Weinkrampf in den nächsten gefallen – es war so sinnlos, so irrational, daß ausgerechnet ihr Sohn sterben mußte. Daß er auf so schäbige Weise von dieser Welt genommen worden war. Und für sie war es absurd zu hören, daß Patrick in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sei. Sie wußte nicht, daß er seine Schwester Carla gefunden hatte und dies der Grund für seinen Tod war. Auch Patricks Vater wußte nichts über die wahren Hintergründe, ebensowenig wie die Polizei. Aber für die Polizei war klar, warum Patrick ermordet worden war – bei seiner Leiche fand man zwanzig Gramm gestrecktes Heroin, mehrere Tütchen Kokain sowie viertausend Mark. Doch sein Vater mochte nicht an diese unglaubliche Theorie glauben, geschweige denn seine Mutter. Patrick, ein Dealer – niemals! Es mußte einen anderen Grund geben, weshalb er mit noch nicht einmal zwanzig Jahren ermordet worden war.
    Als Patricks Mutter auch am zehnten Tag nach seinem Tod nichts gegessen und fast nichts getrunken hatte, wurde sie auf ärztliche Anordnung in eine Klinik eingewiesen, wo siekünstlich ernährt wurde. Nach drei Wochen schien sich ihr Zustand gebessert zu haben, doch als sie wieder zu Hause war, fiel sie in immer tiefere Depressionen, sie begann zu trinken und den Tag damit zuzubringen, im Sessel vor dem Kamin zu sitzen und vor sich hinzustarren oder stundenlang Bilder ihrer Kinder anzuschauen und dabei zu weinen. Erst hatte sie Carla verloren, weshalb, an was, an wen? – sie hatte keine Antwort darauf. Und jetzt auch noch Patrick. Doch in ihrem tiefsten Innern glomm noch ein winziger Funken Hoffnung, daß wenigstens Carla eines Tages zurückkehren würde. Bis zu jenem Morgen, an dem Spaziergänger sie in einem Waldstück in der Nähe von Frankfurt fanden. Ihre nackte Leiche war noch relativ unverwest, der Tod erst knapp einen Tag vor ihrem Auffinden eingetreten, wie die Autopsie eindeutig ergab. Ihr Körper war von unzähligen Einstichstellen übersät. Die Obduktion hatte ebenso ergeben, daß Carla nicht nur an einer Überdosis Heroin gestorben war, sondern auch noch eine akute Alkoholvergiftung hatte, der Promillegehalt ihres Blutes zum Zeitpunkt des Todes wurde laut gerichtsmedizinischem Gutachten mit knapp 5,3 Promille angegeben, ein absolut sicherer Todescocktail. Außerdem wurden mehrere verschiedene Spermaspuren sowohl im Vaginal- als auch im Analbereich nachgewiesen, dazu eine chronische Leberentzündung, zwei Magengeschwüre,

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