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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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krepiert sind sie, elend krepiert.«
    »Bin ich die letzte?« Sie nahm das Glas in die Hand, betrachtete es einen Augenblick lang.
    »Nein. Es gibt noch einen auf der Liste.«
    »Und wer ist dieser letzte?« fragte sie.
    »Du wirst ihm in der Hölle begegnen«, sagte er. »Ihr alle werdet euch dort begegnen. Und vielleicht wirst du auch mich dort treffen.«
    Sie setzte das Glas an die Lippen, trank es in einem Zug leer. Mit einem Mal wurden ihre Augen groß, sie sah ihn mit seltsamem Blick an, ließ das Glas fallen und faßte sich mit beiden Händen an den Hals. Sie wollte schreien, doch es war, als ob alles in ihr verbrannte. Sie stürzte zu Boden, wand sich in Krämpfen, versuchte, etwas zu sagen, doch kein Laut drang aus ihrem Mund.
    Er zog sich an, holte den Aktenkoffer, öffnete ihn. Er wartete, bis ihr Körper aufhörte zu zucken, zog die Plastikhandschuhe über, nahm das Skalpell, beugte sich über sie, verharrte einen Moment, als überlegte er, schließlich machte er einen langen Schnitt quer über den Hals. Mit einem Finger tauchte er in die klaffende Wunde und schrieb die Zahl auf Judiths Stirn. Ihre Augen waren weit geöffnet, er wollte hineinstechen, doch etwas hielt ihn zurück. Es war das erste Mal, daß er eine Frau getötet hatte. Diesmal ließ er das von ihm benutzte Glas stehen, wischte es nicht ab. Er wollte den Zettel bereits neben die Tote legen, als ihm nochetwas einfiel. Er schrieb in Druckschrift eine weitere Notiz dazu, dann schloß er den Koffer. Bevor er hinaus auf den Flur ging, legte er die weiße Lilie auf die Brust der Toten. Er drückte den Aufzugknopf. Unbemerkt gelangte er nach unten und verließ das Haus. Auf dem Weg zum Auto schossen ihm viele Gedanken durch den Kopf, es war wie ein Karussell, das sich immer schneller und schneller drehte. Am Wagen angelangt, sah er zum Himmel, der fast wolkenlos war. Ein leichter Wind wehte vom Taunus herüber. Er fuhr nach Hause.

Donnerstag, 23.15 Uhr
     
    Anna und seine Frau waren eingeschlafen, der Fernsehapparat lief. Er stellte seinen Koffer im Büro ab, begab sich ins Wohnzimmer, weckte Anna. Sie sah ihn aus verschlafenen Augen an, sagte: »Es tut mir leid, aber . . .«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie können jetzt zu Bett gehen und morgen früh etwas länger schlafen, ich werde erst am späten Vormittag ins Büro fahren. Gute Nacht.« Nachdem Anna gegangen war, kniete er sich vor seine Frau und legte seinen Kopf in ihren Schoß. Sie atmete ruhig und gleichmäßig, ihre rechte Hand strich sanft über sein Gesicht. Er schloß die Augen, genoß diese Berührung.
    »Bald ist alles vorbei«, flüsterte er. »Bald werden wir Ruhe haben. Und ich habe dich nicht betrogen heute abend, ich könnte dich überhaupt nicht betrügen. Ich habe es nur getan, weil es zum Spiel gehörte. Warum haben sie uns nur so weh getan? Warum haben sie all den anderen so weh getan? Ja, du weißt natürlich keine Antwort darauf, und ich will auch gar keine haben.« Er hob den Kopf, sah in ihrGesicht. Sie hatte die Augen geöffnet, für einen Moment glaubte er, daß sie verstand, was er ihr sagte.
    »Ich liebe dich«, sagte er leise. »Und ich wünschte mir so sehr, dich einmal wieder lachen zu hören. Ich wünschte mir, einmal wieder mit dir zu schlafen, dich zu spüren. Und doch weiß ich, es wird nie wieder der Fall sein. Was haben sie nur aus uns gemacht?«
    Er stellte sich auf, nahm ihre Hand und half ihr hoch. Gemeinsam gingen sie hinauf ins Schlafzimmer, entkleideten sich und legten sich ins Bett. Sie lag auf dem Rücken, die Arme über der Brust verschränkt, die Augen zur Decke gerichtet. Er lag auf der Seite, sah sie an. Mit einem Mal drehte sie sich zu ihm und sagte leise: »Ich liebe dich auch.« Er löschte das Licht, er wollte nicht, daß sie ihn weinen sah. Er kroch zu ihr hinüber, den Kopf an ihre Brust gelegt. Er hörte das Schlagen ihres Herzens, fühlte, wie ihr Atem seine Haare berührte. Er schlief ein.

Freitag, 7.45 Uhr
     
    »Staatsanwalt Anders wird vermißt«, sagte Berger, als Julia Durant durch die Tür trat. »Seine Frau hat gestern abend noch die Vermißtenanzeige aufgegeben. Es scheint, als ob Sie recht hätten mit Ihrer Vermutung, daß Anders der anonyme Informant war.«
    »Scheiße«, quetschte sie durch die Zähne. »Und jetzt?«
    »Bis jetzt liegt kein Hinweis auf ein Gewaltverbrechen vor, deshalb sind uns die Hände gebunden.«
    »Er sagte mir am Telefon, falls ihm etwas zu stoßen würde, sollten wir in seinem

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