Das achte Opfer
Schlüsselbund in der Hand, steckte einen Schlüssel in das Schloß und ließ es aufschnappen.
»Brauchen Sie mich noch?« fragte er.
»Nein, im Augenblick nicht«, sagte Hellmer.
»Wenn noch was ist, ich bin drüben in meiner Wohnung.« Sie warteten mit dem Betreten des Penthouses, bis die Aufzugtür geschlossen war und der Lift sich nach unten in Bewegung setzte. Julia Durant ging voran, ließ ihren Blick durch das gewaltige Zimmer streifen. Vor dem Eßtisch blieb sie stehen. »Sie hat auf jeden Fall Besuch gehabt. Aber hier ist sie nicht. Sehen wir in den anderen Zimmern nach. Du schaust mal ins Bad und ich ins Schlafzimmer.« Die Tür war nur angelehnt, die Kommissarin stieß sie auf. Sie schluckte schwer bei dem Anblick, der sich ihr bot. Oberstaatsanwältin Schweiger lag auf dem Boden vor dem Bett, sie war nackt, ein zerbrochenes Glas neben ihr. Der Schnitt ging durch die Kehle, auf ihrer Stirn stand mit Blut die Zahl 666 geschrieben, eine weiße Lilie lag auf der Brust. Neben der Toten ein Zettel.
»Frank, ich hab sie«, rief Julia Durant und beugte sich zu der Toten hinunter, deren starrer, lebloser Blick zur Decke gerichtet war. Hellmer kam um die Ecke gestürzt, blieb in der Tür stehen.
»Unsere werte Oberstaatsanwältin, schau an«, sagte er sarkastisch. »Mausetot, die Gute. Aber ihr sind komischerweise nicht die Augen ausgestochen worden . . .«
»Und die Eier konnte er ihr wohl auch nicht abschneiden«, bemerkte die Kommissarin zynisch. »Aber der Zettel stimmt, genau der gleiche Wortlaut wie . . . Moment mal, hier steht noch etwas Handschriftliches:
Liebe Kommissarin Durant, falls Sie Staatsanwalt Anders suchen, so können Sie sich die Mühe sparen. Er ist beseitigt worden, weil er zuviel wußte und weil er Angst hatte. Ich habe mit seinem Verschwinden allerdings nichts zu tun. Ich habe auch erst heute davon erfahren.«
Sie reichte den Zettel Hellmer, der ebenfalls las.
»Für ein graphologisches Gutachten wird das wohl kaum ausreichen, weil er in Druckschrift geschrieben hat.«
»Dafür wird unsere Spurensicherung eine Menge mehr Arbeit als sonst haben. Es kommt mir fast so vor, als wolle er uns jetzt bewußt auf seine Spur führen. Informier doch schon mal Berger, ich seh mir die Schweiger etwas genauer an.« Julia Durant befühlte den Körper, der, bis auf die Ellbogen, steif war. Sie drehte die Tote auf die Seite, der leichte Geruch von Bittermandeln lag noch in der Luft.
Hellmer hatte mit Berger telefoniert, betrachtete noch einmal die Ermordete.
»Sie war eigentlich eine hübsche Frau«, sagte er. »Und für ihr Alter außerordentlich gut beieinander, körperlich, meine ich. Ich kenne jedenfalls welche, die sind halb so alt und sehen nicht halb so gut aus.«
»Mag sein, daß sie hübsch war«, sagte die Kommissarinund erhob sich, »aber diese Schönheit hat ihren Mörder nicht davon abgehalten, sie umzubringen. Wenn wir nur wüßten, was alle diese Menschen miteinander verbindet?! Wenn wir nur wüßten, was sie dem Mörder angetan haben?! Wir haben drei Päderasten, einen kleinen Sadisten, aber was hat sie verbrochen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie pädophil war, eine Frau wie sie sucht sich gestandene Männer. Aber wir haben ja noch Heroin-, Waffen- und Menschenhandel. Vielleicht war sie in eine dieser Sachen verwickelt, wer weiß? Und Anders? Vielleicht wurde er unter Druck gesetzt, womit auch immer. Auf jeden Fall scheint er eine Menge gewußt zu haben, denn sonst hätte die Organisation ihn nicht beseitigt. Mir tut nur seine Familie leid, er hinterläßt immerhin eine Frau und fünf Kinder.«
»Sie ist nackt, und das Bett ist verwühlt«, sagte Hellmer.
»Es sieht beinahe so aus, als hätte sie nach dem Abendessen noch Sex gehabt. Da schau, rote Reizwäsche.«
»Die Autopsie wird zeigen, ob sie noch Geschlechtsverkehr hatte«, sagte Julia Durant. Es klingelte, Hellmer ging zur Tür und öffnete sie. Ein Arzt stand draußen, wies sich aus und wurde eingelassen.
»Sie ist im Schlafzimmer«, sagte Hellmer. »Ich will nur schon vorab sagen, daß es kein angenehmer Anblick ist.«
»Ich habe schon alle möglichen Toten gesehen«, sagte der Arzt, ein älterer Mann mit Nickelbrille, gelassen. »Mich kann so schnell nichts erschüttern.«
Er untersuchte die Tote und stellte nach einer Weile ruhig fest: »Sie ist vor Mitternacht gestorben. Bei dem Geruch war die Todesursache aller Wahrscheinlichkeit nach Zyankali. Der Schnitt über den Hals erfolgte, als sie bereits tot war.
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