Das achte Opfer
noch unruhig im Bett hin und her, und als sie endlich in tiefen Schlaf fiel, wurde sie geplagt von schrecklichen Alpträumen.
Mittwoch, 22.30 Uhr
Hellmer hatte sich auf dem Nachhauseweg eine Flasche Wodka und fünf Dosen Bier gekauft. Eine Dose hatte er ausgetrunken, die Flasche Wodka war zur Hälfte leer. Er war fast betrunken, aber nur fast, er sagte sich, daß er jetzt genug hatte. Einige Male an diesem Abend war er geneigt, zum Telefonhörer zu greifen und die Nummer von Nadine Neuhaus zu wählen, doch jedesmal, wenn er seine Hand auf den Hörer legte, schaffte er es nicht, ihn abzunehmen. Er hatte eine Zigarette nach der anderen geraucht, insgesamt zwei Schachteln. Er hatte sie nie vergessen, und als er sie am Nachmittag in dem Café sah, wußte er, daß er sie noch immer liebte. Und er hatte in ihren Augen gesehen, daß sie alles andere als glücklich war. Er war ein armer Schlucker und unglücklich, und sie war reich und auch unglücklich. Er würde Kontakt zu ihr aufnehmen, irgendwann. Er blickte zur Uhr, kurz nach halb elf, er war müde. Er schenkte sich noch ein Viertelglas voll mit Wodka und gab Orangensaft dazu, trank es mit großen Schlucken leer. Er stand auf, er schwankte ein wenig, murmelte »Scheiße«, ging ins Schlafzimmer und ließ sich angezogen aufs Bett fallen. Er schlief sofort ein.
Donnerstag, 8.00 Uhr
Hellmer, Durant und Kullmer trafen etwa zeitgleich im Präsidium ein, während Berger schon seit sieben im Büro war. Hellmer war gegen fünf aufgewacht, weil sein Magen rebellierte und er dagegen nur ein Mittel kannte – eine Dose Bier. Er war aufgestanden, hatte geduscht, sich die Haare gewaschen und rasiert und frische Sachen angezogen. Danach hatte er ein kleines Frühstück zu sich genommen, eine Zigarette geraucht und einen Schluck Wodka getrunken. Er fühlte sich miserabel und sagte sich erneut, daß es unmöglich so weitergehen konnte, er mußte schleunigst mit der Sauferei aufhören. Bevor er das Haus verließ, besprühte er sich mit Armani-Eau-de-Toilette, steckte einen Kaugummi in den Mund, in der Hoffnung, keiner würde seine Alkoholfahne bemerken.
Berger blickte nur kurz auf, zog die Stirn in Falten, sagte mit müder Stimme: »Sie brauchen sich gar nicht erst zu setzen, wir haben einen weiteren Mord. Freßgaß, Immobilien Neuhaus, wenn Ihnen das etwas sagt.«
Hellmers Augen verengten sich zu Schlitzen. »Bitte was,
der
Neuhaus etwa?«
»Genau der. Ist vor etwa zehn Minuten in seinem Büro gefunden worden. Wie es aussieht, das gleiche Vorgehen wie bei Matthäus. Sie sollten gleich hinfahren und sich das ansehen. Zwei Streifenwagen sind schon vor Ort.« Bevor einer der Beamten etwas erwidern konnte, fragte Berger an Julia Durant gewandt: »Wann ist Ihr Termin bei Gericht?«
»Halb zehn.«
»Gut, dann verschaffen Sie sich einen kurzen Überblick und fahren danach gleich weiter. Ich nehme an, Sie werden gegen Mittag wieder hier sein. Die Kollegen Hellmer undKullmer werden in der Zwischenzeit Befragungen durchführen. Die Spurensicherung und ein Arzt sind übrigens bereits verständigt.«
Die drei Beamten verließen das Büro. Während Kommissarin Durant ihren Corsa nahm, fuhren Hellmer und Kullmer mit dem Dienstwagen zum Tatort. Zwei Angestellte warteten mit versteinerten Mienen auf dem Flur, die vier Streifenbeamten standen vor dem Büro des Toten.
»Ist hier irgendwas angefaßt worden?« fragte Julia Durant einen der Beamten.
»Nein, wir haben nichts angefaßt, und auch die beiden Angestellten sagen, sie hätten den Toten nur gesehen, aber nichts berührt.«
Julia Durant ging zu den Angestellten. »Wie ich hörte, haben Sie nichts angefaßt. Hat jemand von Ihnen schon bei Frau Neuhaus angerufen?«
»Nein«, sagte eine junge Frau. »Das überlassen wir lieber Ihnen.«
»Gut«, sagte sie, »wir werden gleich noch mal auf Sie zurückkommen.« Sie begab sich zu Hellmer und Kullmer, sagte: »Dann wollen wir uns Herrn Neuhaus mal genauer anschauen.«
Sie betraten das Zimmer, Dr. Neuhaus lag nackt vor seinem Schreibtisch, die Genitalien abgetrennt und neben sein Gesicht gelegt, die Augenhöhlen leer und blutverkrustet, auf seiner Stirn die Zahl 666. Und neben ihm ein Zettel mit dem gleichen Wortlaut wie dem, der Julia Durant am Abend zuvor zugegangen war. Sie ging etwas näher an den Toten heran, beugte sich zu ihm hinunter, rümpfte die Nase.
»Riechst du auch was?« fragte sie und sah dabei Hellmer an. Er zuckte mit den Schultern. »Schon, aber wonach riecht
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