Das achte Opfer
Eltern etwas anzutun, sollte ich mich weigern, seine Frau zu werden . . .«
»Warum, um alles in der Welt, hast du nicht die Polizei eingeschaltet? Warum hast du mich nicht angerufen? Ich hätte kurzen Prozeß mit diesem Typen gemacht. Warum?«
»Die Polizei?« sagte sie seufzend. »Die Polizei ist käuflich, oder nenn es korrupt. Ich weiß es, ich habe es nämlich miterlebt. Manfred hat reihenweise Leute gekauft und sie für seine Zwecke eingesetzt. Und dich anrufen – was hättest du allein gegen ihn schon ausrichten können? Er hätte dich zertreten, und das hätte ich nie mit meinem Gewissen vereinbaren können. Ich hatte keine Chance gegen ihn. Das eine Jahr Ehe mit ihm hat mich mindestens zehn Jahre meines Lebens gekostet. Irgend etwas ist in mir abgestorben, vielleicht sogar die Fähigkeit zu lieben.«
Frank Hellmer erhob sich, setzte sich neben Nadine. Er legte einen Arm um ihre Schulter. »Das darfst du nicht sagen. Du hast die Fähigkeit zu lieben, und diese Fähigkeit verliert man auch nicht. Schon gar nicht du.«
»Und jetzt?« fragte sie. »Wie geht es jetzt weiter?«
»Es wird eine Autopsie durchgeführt, danach die Leiche zur Beerdigung freigegeben. Alles andere, Erbschaft, Geschäft et cetera – das mußt du mit deinem Anwalt regeln. Ich gehe davon aus, daß du für den Rest deines Lebens ausgesorgt haben wirst. Und deine Wunden werden verheilen.« Hellmer stand auf, ging an das riesige Mittelfenster, schaute hinaus auf den großzügig angelegten Garten mit dem ovalen Swimmingpool, in dem sich der jetzt blaue Himmel spiegelte. Ohne sich umzudrehen, fragte er: »Hatten Doktor Matthäus und dein Mann irgendeine Beziehung zueinander? Geschäftlich, privat?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Ich meine, ihr wohnt quasi Tür an Tür . . .«
»Ich sagte dir gestern bereits – wir hatten kaum Kontaktmiteinander. Ich kann dir über Matthäus überhaupt nichts sagen.«
»Und du hast auch nie ein Telefonat zwischen den beiden mitbekommen, rein zufällig natürlich?«
»Nein, auch das nicht.«
Hellmer drehte sich um, stützte sich mit beiden Händen auf die Rückenlehne der Couch.
»Aber es muß eine Verbindung zwischen deinem Mann und Matthäus gegeben haben! Beide Männer sind auf die gleiche bestialische Weise umgebracht worden, und beide trugen das Zeichen auf der Stirn. Es mag Zufälle geben, aber in diesem Fall glaube ich nicht daran. Nur – wo liegt die Verbindung zwischen Matthäus und deinem Mann? Wo?«
»Wenn ich dir helfen könnte, glaub mir, ich täte nichts lieber als das. Aber ich weiß wirklich nichts.«
»Schon gut, ich glaube dir ja. Frau Matthäus weiß auch von nichts. Und auch ihr glaube ich es. Doch solange wir nicht den geringsten Anhaltspunkt haben, so lange wird es auch keine Spur zum Täter geben.« Er hielt inne, schaute zur Uhr, zehn nach elf. »So, Nadine, ich muß jetzt zurück ins Präsidium, es wartet eine Menge Arbeit auf mich. Ich ruf dich an. Wir werden mit Sicherheit noch ein paar Fragen haben. Tschüs.«
»Tschüs«, sagte sie, und es klang traurig. »Warum ist alles bloß so schwierig?« fragte sie, als er bereits an der Tür war. Er blieb stehen, wandte sich langsam um.
»Weil wir es uns selbst schwermachen. Verdammt schwer, manchmal.«
»Gibt es eine Chance?«
»Wofür?«
»Daß es besser wird.«
»Vielleicht, Nadine. Ich weiß nur eines – ich habe nie aufgehört, an dich zu denken . . . und dich zu lieben. Undmanchmal tun allein Gedanken weh. Unheimlich weh. Mach’s gut. Und an deiner Stelle würde ich zum Arzt gehen und die Wunden behandeln lassen.«
»Ach, der macht doch sowieso nichts«, sagte sie und winkte ab.
»Wer, dein Arzt? Wer ist es – Professor Meininger vielleicht?«
»Ja, woher weißt du . . .?«
»Frau Matthäus ist auch seine Patientin. Wir haben ihm gestern ein paar Fragen gestellt. Ich mag ihn nicht. Er ist undurchsichtig. Aber was soll’s, ich muß jetzt wirklich gehen. Ach ja, bevor ich’s vergesse, hier ist meine Telefonnummer. Du kannst mich jederzeit anrufen, entweder abends zu Hause oder übers Handy. Ich würde mich über einen Anruf freuen.«
Sie lächelte, nahm die Karte, warf einen Blick darauf, legte sie auf den Tisch.
Er öffnete die Tür, blieb aber noch einmal stehen. »Darf ich dir noch eine letzte Frage stellen?«
»Bitte.«
»Dein Mann hat dich gestern zusammengeschlagen. Hat er das öfter getan?«
Nadine Neuhaus zögerte, bevor sie sich zu einer Antwort durchrang. »Immer, wenn er meinte, daß ich
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