Das achte Opfer
oberhalb ihrer Knie endete, und weiße, offene Pumps. Sie blieb vor Julia Durant stehen, musterte sie kurz.
»Sie sind die Dame von der Polizei? Ich habe leider Ihren Namen vergessen . . .«
»Julia Durant. Guten Tag.«
Elvira Winzlow öffnete das Tor, ließ die Kommissarin an sich vorbeitreten, um dann vor ihr zum Haus zu gehen.
Es ähnelte in etwa den Häusern der anderen Reichen, die Julia Durant in der Vergangenheit kennengelernt hatte, das Interieur war kostbar und edel, doch die Atmosphäre war auch hier, wie bei so vielen anderen, kühl und abweisend. Sie wurde ins Wohnzimmer geführt, wo Elvira Winzlow ihr einen Platz auf einem wuchtigen, weichen Ledersessel anbot. Sie selbst blieb einen Augenblick stehen, als überlegte sie, ging ans Fenster, stützte sich mit beiden Händen auf der Fensterbank ab und schaute hinaus in den Garten, der sich jetzt, Mitte Mai, in herrlicher Blütenpracht präsentierte.
»Also, was wollen Sie von mir?« fragte sie.
»Ich möchte nur ein paar Angaben zu Ihrem Exmann haben.«
»Wir sind seit zwei Jahren geschieden. Ich weiß nicht, was er in dieser Zeit getrieben hat. Es interessiert mich auchnicht. Ich habe ein neues Leben begonnen, und ich hoffe, die Zeit . . .« Sie stockte, senkte den Blick.
»Die Zeit, was? Heilt alle Wunden?«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
»Gestatten Sie mir die Frage, aber warum haben Sie sich getrennt? Sie müssen darauf natürlich nicht antworten, wenn es zu intim ist.«
Elvira Winzlow lachte nervös auf. »Intim? Es war verdammt intim. Ich hätte nie gedacht, was für Abgründe in einem Menschen stecken können. Bis ich es herausfand.«
»Frau Winzlow, wollen Sie sich nicht zu mir setzen und mir von diesen Abgründen erzählen? Ihr Mann, pardon Exmann, ist auf eine Weise zugerichtet worden, die keiner von uns in der Mordkommission jemals gesehen hat. Wir möchten und müssen herausfinden, warum man ihn ermordet hat. Warum man ihn mit dem Teufel in Verbindung gebracht hat . . .«
»Mit dem Teufel? Inwiefern?« fragte Elvira Winzlow, drehte sich um und setzte sich Julia Durant gegenüber. »Ich weiß bis jetzt nicht, wie er umgekommen ist.«
»Dann hat Ihre Schwägerin also nicht mit Ihnen darüber gesprochen. Das ehrt sie. Man hat ihn mit Zyankali vergiftet, ihm die Genitalien abgetrennt, die Kehle durchgeschnitten und die Augen ausgestochen. Und zuletzt hat man ihm die Zahl 666 auf die Stirn geschrieben, mit Blut, seinem eigenen Blut.«
»Die Genitalien? Das heißt, jemand hat ihn im wahrsten Sinn des Wortes kastriert?« fragte sie mit einem undefinierbaren, fernen Lächeln. »Das ist beinahe grotesk.«
»Wieso?« fragte die Kommissarin.
»Ich hätte das schon machen sollen, als wir noch verheiratet waren. Wenn mein Exmann mit irgend etwas Unheil angerichtet hat, dann damit. Er war ein Schwein.«
»Könnten Sie das näher erläutern?«
»Ja, das könnte ich wohl, aber ich habe damals etwas unterschrieben, wonach ich niemals jemandem von seinen Neigungen erzählen werde, sonst würde ich alles verlieren, was ich durch die Scheidung gewonnen habe, dieses Haus, den großzügigen Unterhalt, einfach alles. Vielleicht sogar meinen Sohn.«
»Frau Winzlow«, sagte Julia Durant mit behutsamer Stimme, »er ist tot. Er kann Ihnen überhaupt nichts mehr wegnehmen. Sie brauchen keine Angst mehr vor ihm zu haben. Sagen Sie, was los war. Es könnte uns einen erheblichen Schritt weiterbringen. Bitte.«
Elvira Winzlow holte tief Luft, stand auf, ging zum Schrank, öffnete eine Tür und holte eine Flasche Gin heraus. »Wollen Sie auch einen?«
»Da ich nicht offiziell im Dienst bin, glaube ich, kann ich ruhig einen mit Ihnen trinken. Wenn es geht, mit etwas Eis.«
Elvira Winzlow schenkte ein, reichte ein Glas der Kommissarin. Beide nahmen einen Schluck, ihre Blicke trafen sich für Sekundenbruchteile.
»Gut«, sagte Julia Durant, »vielleicht kann ich es Ihnen etwas leichter machen. Hatte Ihr Exmann Probleme im sexuellen Bereich? Abartige Neigungen?«
»Wie kommen Sie darauf?« fragte Elvira Winzlow mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Nun, man fand bei Ihrem Mann auch einen Zettel, auf dem stand:
Wer einen von diesen Kleinen . . . zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde.
Mein Kollege und ich waren gestern nachmittag im Museum Ihres Exmannes, um uns in seinem Büro umzusehen. Es fiel uns auf, daß dort zur Zeit eine Ausstellung stattfindet mit Bildern,die
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