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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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in seinem Kopf herum, und er wusste nicht, welche er zuerst stellen sollte.
    »Wo liegt denn dieses Irgendwo?«, fragte er schließlich.
    »Wir wissen es nicht«, antwortete sein Großvater.
    »Noch nie hat sich jemand über die Mole hinaus gewagt.«
    »Weshalb?«
    »Warte.«
    Mit drei Schritten war Barthélemy im großen Saal. Er kehrte mit einem Stuhl in der Hand zurück und trat an den Rand der Terrasse.
    »Gewöhnlich vermeiden wir diese Art der Demonstra-tion, aber heute erscheint es mir notwendig. Pass auf.«
    Mit einer kräftigen Handbewegung schleuderte Barthélemy den Stuhl ins Gras. Er sank ungefähr dreißig Zentimeter tief ein und bewegte sich nicht mehr.
    »Was ist das …?«
    »Pass auf, habe ich dir gesagt!«
    Das Gras um den Stuhl herum erzitterte. Nathan 180

    glaubte einen grünen Stängel zu sehen, der sich um ein hölzernes Stuhlbein schlang, dann war ein Krachen zu vernehmen. Der Stuhl brach zusammen.
    Nun ging alles sehr schnell. Das Gras wuchs in halluzi-nierender Geschwindigkeit. Dicke Stängel, versehen mit scharfen Ranken, entfalteten sich und peitschten durch die Luft. In wenigen Sekunden war der Stuhl von einer zuckenden Pflanzenmasse verschlungen. Eine Reihe unheimlicher Knirschgeräusche, dann war da nur noch ein vage erkennbarer grüner Hügel, der sich sogleich wieder zurückbildete.
    Vom Stuhl war nichts mehr übrig.
    »Das bringt einen davon ab, hier Purzelbäume zu schlagen, nicht wahr?«, sagte Anton. »Und bevor du die Frage stellst: Ja, dieses verdammte Gras verschlingt alles.
    Holz, Plastik, Metall, Menschenfleisch, nichts widersteht ihm. Anders ausgedrückt: Die Erforschung des grünen Ozeans steht nicht zur Debatte.«
    Nathan zwang sich, den Blick von der Stelle abzuwen-den, wo der Stuhl verschwunden war.
    »Wer hat dieses Haus gebaut?«
    »Eine der Familien.«
    »Ich verstehe nichts.«
    Anton nahm ihn am Arm und führte ihn wieder hinein, zu einem Sessel, in den er sich setzen musste. Anton nahm gegenüber von ihm Platz, während Barthélemy stehen blieb.
    »Ich werde dir einen kurzen Abriss über den Stammbaum der Familie, oder besser: der Familien geben«, begann der alte Mann. »Ihre Ursprünge verlieren sich in grauer Vorzeit, und es gab lange Zeit Streit und Ausein-181

    andersetzungen darüber, welches die älteste sei. Aber all dies ist Vergangenheit, da die Familien – unsere ausge-nommen – praktisch verschwunden sind. Barth hat dir erklärt, dass jede Familie eine besondere Fähigkeit besaß.
    Es gab die Baumeister, die Metamorphen, die Heiler, die Mnemiker – die Familie deiner Mutter –, die Scholiasten und uns.«
    »Das sind nur sechs«, merkte Nathan an.
    »Die siebte Familie wurde ihrem Rang nie gerecht. Sie waren schwach und feige, ihre Mitglieder waren die ersten, die verschwanden. Sie nannten sich selbstgefällig die Führer.«
    »Und die Fähigkeiten der Familien?«
    »Die Baumeister haben dieses Haus gebaut und die Tü-
    ren, die zu ihm führen. Sie haben außerdem Zugänge zu anderen Orten geschaffen, aber die Wege dorthin sind vor langer Zeit in Vergessenheit geraten. Die Metamorphen beherrschten die komplizierte Kunst der Verwandlung. Und die Heiler, wie ihr Name schon besagt, besa-
    ßen erstaunliche Fähigkeiten zur Heilung. Du kennst die Fähigkeiten der Mnemiker, da du über sie verfügst. Was die Scholiasten betrifft, so waren sie fähig zu lernen oder vielmehr alles, was sie sahen, aufzunehmen und zu re-produzieren. Die Scholiasten sind vor Jahrhunderten verschwunden, ebenso wie die Baumeister und die Heiler.«
    »Wegen der anderen Familien?«
    »Teilweise. Unsere Interessen waren oft gegensätzlich, das ist wahr, und es gab eine Vielzahl von Streitigkeiten, aber die Familien haben auch lange Friedenszeiten erlebt.
    Aus alten Dokumenten, die in einer Sonderabteilung der 182

    Bibliothek von Valenciennes aufbewahrt werden, soll sogar hervorgehen, dass es eine Zeit gab, in der die Familien an gemeinsamen Zielen arbeiteten. Belangloses Zeug, meiner Ansicht nach.«
    Antons Blick verhärtete sich.
    »Wie dem auch sei, einige haben von der Friedenszeit profitiert und ihr Blut vereinigt, ihre Gene und ihre Be-stimmungen. Du bist ein gutes Beispiel dafür.«
    Er wartete nicht ab, bis Nathan etwas erwidern konnte, sondern fuhr fort:
    »Diese widernatürlichen Vereinigungen kamen nur sehr selten vor, glücklicherweise!«
    »Glaubt ihr nicht, dass …«
    »Seid still!«
    Barthélemy hatte ihnen in einem Ton zu schweigen befohlen, der keinen Widerspruch

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