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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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rein.
    Tageslicht!
    Nathan erschauderte. Tageslicht? Er befand sich doch unter der Erde! Und die Sonne war seit über einer Stunde untergegangen! Unmöglich!
    Dennoch gab es keinen Zweifel: Die Helligkeit, die durch die weit offen stehende Tür in den Flur drang, war Sonnenlicht.
    Von derselben Kraft angezogen wie ein hypnotisiertes Insekt, das sich in eine Flamme stürzt, tat Nathan einen Schritt vorwärts.
    Er stand auf der Schwelle zu einem mittelgroßen, mit rotem Holz vertäfelten Raum, dessen einziges Mobiliar aus einer Kommode mit geschwungenen Linien und einem Stuhl mit zerbrochener Rückenlehne bestand.
    Das Licht strömte durch ein großes Spitzbogenfenster.
    Draußen erstreckte sich eine Grasfläche bis zum Horizont, sie war nur durch kaum sichtbare kleine Wellen im Gelände strukturiert.
    Diese Vision einer grünen Ebene bestätigte Nathan in seinem Gefühl, dass sein Leben immer mehr aus den 173

    Fugen geriet. Auch wenn er sich möglicherweise über die Uhrzeit oder die Tiefe, in der er sich befand täuschte – es war unmöglich, eine solche Landschaft in einem näheren Umkreis als fünfhundert Kilometer von Marseille entfernt zu finden.
    Er wandte sich um an seine Begleiter und suchte nach einer Erklärung, einem Hinweis, nach irgendeinem Anhaltspunkt.
    Sie antworteten ihm mit einem undurchdringlichen Blick.
    »Wo sind wir?«, erkundigte er sich.
    Anton lächelte ihm zu. Ein Lächeln voller Stolz.
    »Willkommen im Haus, mein Sohn!«
    »Im Haus?«
    »Dies ist das Haus im Irgendwo.«
    »Was hat das zu …«
    »Die Zeit der Fragen kommt später«, unterbrach ihn sein Großvater. »Die Regel will es, dass jedes Familienmitglied seine Fähigkeit unter Beweis stellt, in das Haus zu gelangen. Der Brauch sieht vor, dass der erste Besuch sich andächtig vollzieht, also mit einem Minimum an Worten. Du kannst weitergehen, dir geschieht nichts.«
    Nathan gehorchte.
    Er sah sich nicht weniger als neun Türen gegenüber.
    Nach einem Blick aus dem Fenster ging er auf eine von ihnen zu. Sie wirkte rustikal und hatte kein Schloss.
    Dennoch ging sie nicht auf, als er die Klinke herunterdrückte. Nathan probierte die anderen. Eine einzige war nicht verschlossen. Er ging hindurch.
    Ein gerader Gang, der nach links und rechts jeweils auf einer Länge von fünfzig Metern verlief und sich an bei-174

    den Enden gabelte. In den Wänden gab es eine Vielzahl von Türen. Manche standen offen und führten zu weiteren Räumen, die meisten waren verschlossen.
    »Ist das ein Haus oder ein Labyrinth?«, murmelte Nathan beeindruckt und ein wenig verunsichert.
    Barthélemy legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
    »Man sagt, manche Mitglieder der Familie hätten das ganze Haus besichtigt, aber sie sind sehr rar. Sicher ist, dass sich eine große Anzahl von uns hier verloren hat. Nie endgültig, keine Angst. Ich für meinen Teil bin einmal drei Tage lang umhergeirrt, bevor ich meine Tür wiederfand.«
    »Deine Tür?«
    »Barth«, knurrte Anton, »lass ihn in Ruhe das Haus er-kunden!«
    »Ich dachte, für dich sei diese Erkundung reine Zeit-verschwendung.«
    »Ich habe lediglich gesagt, jetzt sei nicht die Zeit dafür.
    Meiner Ansicht nach müssen wir uns um wichtigere Dinge kümmern, aber wenn wir schon einmal hier sind, können wir das Spiel auch zu Ende spielen. Komm, Nathan, vorwärts, du kannst dich nicht verlaufen, wenn wir bei dir sind. Lass dich von deiner Intuition leiten. Lass dich vom Haus überraschen.«
    Barthélemy trat zur Seite, und Nathan ging voran. In den Räumen und Fluren, die er durchquerte, gab es keine Elektrizität. Die einzige Beleuchtung war das Tageslicht, das durch unzählige Fenster ins Haus drang. Angesichts der Größe des Hauses wurden nicht sämtliche Räume direkt beleuchtet, dennoch konnte Nathan überall Türen entdecken.

    175

    Das Haus besaß Hunderte von Türen!
    Hunderte von Türen, mit oder ohne Schloss, von denen sich die meisten nicht öffnen ließen. Er war gezwungen, durch die wenigen unverschlossenen zu gehen.
    Es gab keinerlei Anzeichen von Bewohnern. Möbel waren praktisch nicht vorhanden, und das Haus hörte niemals auf. Für einen Moment bildete sich Nathan ein, das Haus habe keine Grenzen, dann besann er sich wieder.
    Das Haus war seltsam genug, er brauchte ihm nichts Zusätzliches anzudichten.
    Schließlich betrat er einen Flur, der noch breiter war als die anderen, die er bereits durchlaufen hatte. Er ignorierte eine Treppe, die nach oben führte, und kam in einen Saal, der

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