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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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Einschlafen.
    Die alte Frau war mit großem Scharfsinn und einer un-erhörten Intuition ausgestattet. Aus Loyalität und aus anderen Gründen, die zu analysieren er sich weigerte, hatte Nathan beschlossen, nicht über das Monster zu sprechen, in das Shaé sich manchmal verwandelte. Als könnte Aimée die Lücken seiner Geschichte erraten, war es ihr mehrere Male um ein Haar geglückt, ihn zu ver-wirren. Sie hatte dennoch keine Möglichkeit, die Wahrheit zu erahnen. Indem er sich auf diese Gewissheit konzentrierte, überstand Nathan die Situation.
    Die alte Dame hatte plötzlich aufgehört, ihn über Shaé zu befragen, um die Rolle anzusprechen, die Rafi spielte.
    Dann hatte sie sich erhoben. Sie war im Stehen kaum größer als im Sitzen.
    »Ich werde nachdenken«, hatte sie verkündet, als sie den Raum verließ.
    Kurz darauf hatte Anton Nathan gebeten, er möge sich zurückziehen.
    Er irrte eine Weile in der riesigen Villa umher, bevor er schlafen ging. Die meisten seiner Träume drehten sich um Shaé.
    Ob er wach lag oder schlief.

    193

13
    s war sieben Uhr, als Enola den Salon betrat, in dem E Nathan frühstückte. Sie trug einen Morgenmantel aus blauer Seide, der zu ihren Augen und den blonden Haaren passte, die in sanften Kaskaden um ihr sonnengebräuntes Gesicht fielen. Obwohl Nathans Gedanken noch von Müdigkeit und Unruhe benebelt waren, kam er nicht umhin, sie sehr verführerisch zu finden.
    Als wäre sie mit einem Radar zur Wahrnehmung der von ihr erzielten Wirkung ausgestattet, warf Enola ihm ein strahlendes Lächeln zu und setzte sich dann ihm gegenüber, wobei sie sorgfältig darauf achtete, ihre grazi-len Kurven geschickt zu betonen.
    »Gut geschlafen, Cousin?«
    Das Wort ›Cousin‹ hatte sie in einer spöttischen Art betont, die ihn störte. Er nuschelte zustimmend und rührte konzentriert in seiner Kaffeetasse.
    »Hast du die Nachrichten der letzten Tage verfolgt?«, erkundigte sie sich. »Drei neue Konfliktherde größeren Ausmaßes sind in Afrika und im Mittleren Orient ausge-brochen. Wenn man noch die Schäden hinzuzieht, die das Erdbeben in Mexiko und die Überschwemmungen in Europa verursacht haben, fragt man sich doch, ob die Welt nicht aus den Fugen geraten ist.«
    Nach der kurzen Erregung, die die einladende Silhouette seiner Cousine hervorgerufen hatte, tauchte 194

    Nathan wieder ab in seine Gedankenwelt. Er antwortete nicht.
    »Das Seltsame daran ist«, fuhr Enola hartnäckig fort,
    »dass niemand eine derartige Entfesselung von Gewalt in Ländern prognostiziert hatte, die seit Jahrzehnten in Frieden leben. Selbst die Überschwemmungen in Bulga-rien kommen überraschend. Ihr Ausmaß ist erschreckend. Das Erdbeben in Mexiko hingegen …«
    Sie verstummte. Auch wenn es zunächst so ausgesehen hatte, als schätzte Nathan ihre Anwesenheit, widmete er ihr jetzt nicht die geringste Aufmerksamkeit.
    »Eingeschnappt, weil du von einer Metamorphen reingelegt wurdest?«
    Die Frage traf Nathan wie ein gewaltiger Fausthieb in den Magen. Er blickte auf und sah Enola in die Augen.
    »Was willst du damit sagen?«
    Sie nahm ein Croissant aus dem silbernen Korb, biss ein Stück ab, zupfte dann ihren Morgenmantel zurecht und achtete darauf, dass er dezent offenstand.
    »Ich habe dich etwas gefragt!«
    Nathan wurde lauter. Enola schüttelte den Kopf und verzog den Mund abschätzig.
    »Ganz ruhig, Cousin. Deine Unkenntnis entschuldigt nicht deine schlechten Manieren.«
    »Welche Unkenntnis?«
    Enola setzte einen konspirativen Gesichtsausdruck auf und beugte sich, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass niemand zuhörte, zu ihm herüber.
    »Aimée ist die beste Analystin in unserer Familie«, er-klärte sie ihm mit leiser Stimme. »Sie brauchte dennoch die halbe Nacht, um die Situation zu begreifen und die 195

    logischen Schlussfolgerungen zu ziehen. Deine Freundin Shaé ist eine Metamorphe. Die Metamorphen haben deine Eltern getötet und versucht, dich umzubringen.«
    »Aber, das ist … das ist doch lächerlich!«
    »Tatsächlich? Aimée glaubt, dass du gestern Abend nicht alles erzählt hast. Deshalb hat es ein wenig gedauert, aber nun ist sie sich sicher. Eine Metamorphe! Sie hatte vor, uns von innen heraus auszuspionieren, während ihre Leute einen massiven Angriff auf unsere Familie vorbereiteten. Gleich werden wir mehr erfahren.«
    Nathan hatte Schluckbeschwerden.
    »Ihr …«
    »Wir, lieber Cousin, wir, nicht ›ihr‹. Aimée hat in deinen Auslassungen keine Böswilligkeit gesehen, nur einen

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