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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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Mangel an Durchblick. Aus diesem Grund spreche ich mit dir ganz offen darüber, auch wenn ich nicht die Erlaubnis habe, das zu tun. Ich habe ein Gespräch zwischen Anton und meinem Vater mitbekommen und dachte, du wüsstest es zu schätzen, die Wahrheit über Shaé zu erfahren. Ich hoffe, du wirst mir dafür dankbar sein …«
    Nathan riss sich unglaublich zusammen, um die Ruhe zu bewahren.
    »Du sagtest also, dass wir …«
    »… bald mehr erfahren. Mein Vater hat vor, dieses Mädchen an ihrer Schule abzufangen, um sie zu befragen.«
    »Und dann?«
    »Können wir einen Gegenangriff starten. Danach wird es aller Wahrscheinlichkeit nach eine Metamorphe weniger auf der Erde geben.«

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    athan spürte, wie ihm das Blut in den Adern stock-N te. Dann übermannte ihn ein Gefühlsschwall, bei dem die Wut dominierte, doch es gelang ihm ein weiteres Mal, sich zusammenzureißen.
    Wenn er Shaés Leben retten wollte, musste er jetzt Ruhe bewahren.
    Seine Lippen zogen sich zu einem angedeuteten Lä-
    cheln zusammen.
    »Das ist unglaublich!«, rief er. »Sie hat mich so einfach getäuscht, dass ich mich schämen muss.«
    »Mach dir nicht allzu große Vorwürfe«, tröstete ihn Enola. »Du konntest nicht ahnen, dass dieses Mädchen ein Monster ist.«
    Nathan tat, als würde er nachdenken. Er zögerte einen Augenblick, bevor er sagte:
    »Ich dachte, die Metamorphen seien alle verschwunden.«
    »Du musst noch sehr viel lernen«, entgegnete sie an-maßend. »Das ist der Preis, wenn man sich von der Familie trennt. Du kannst jedenfalls auf mich zählen, wenn du
    … Wohin gehst du?«
    Nathan war aufgestanden.
    »Spazieren. Ich muss nachdenken. Wir reden später darüber, okay?«

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    »Mein Vater möchte nicht, dass du ohne seine Genehmigung den Park verlässt. Er fürchtet, dass …«
    Enola verstummte. Nathan war schon hinausgegangen.

    ***

    Draußen blies wieder der Mistral, und es war kalt. Nathan überlegte eine Sekunde, ob er hineingehen sollte, um eine Jacke zu holen, verwarf den Gedanken aber wieder. Wenn er Enola begegnen würde, bestand die Gefahr, dass er die Fassung verlieren und sie laut verflu-chen könnte. Bestenfalls.
    Er suchte Schutz hinter einer riesigen Zypresse. Die Wächter hatten ihm nur einen kurzen Blick zugeworfen, doch Nathan wusste, dass sie ihn nicht aus den Augen ließen. Das musste er beachten, wenn er diesen Ort verlassen wollte.
    Wenn er diesen Ort verlassen wollte, um Shaé zu retten.
    Er hatte diesen Entschluss gefasst, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein.
    Auch wenn die Zeit drängte, er musste in Ruhe dar-
    über nachdenken.
    Er wusste nicht, wie Aimée dahintergekommen war, aber es war möglich, dass sie recht hatte. Nein. Es war praktisch sicher. Shaé war eine Metamorphe. Das erklär-te auch, weshalb sie sich im Bahnhäuschen in eine Hyäne verwandelt hatte. Die Theorie eines Komplotts hingegen war absurd. Davon war Nathan zutiefst überzeugt. Shaé wusste nichts von ihrem Wesen als Metamorphe. In ihrer Realität gab es nur das Etwas und den täglichen Kampf, 198

    den sie gegeneinander führten. Keine langfristigen Pläne, keine Unterstützung, keine Eltern.
    Nathan überlegte, Barthélemy aufzusuchen, um ihm die Dinge darzulegen, doch dann erinnerte er sich an die Worte seines Onkels, an die seines Großvaters und an alles, was er gehört hatte, seit er zu seiner Familie gesto-
    ßen war. Er würde niemanden überzeugen können.
    Also musste er alleine handeln.
    Und zwar schnell.
    Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er die Wächter. Er entdeckte sechs, die so platziert waren, dass sie den gesamten Park überblicken konnten. Keiner sah ihn an, und trotzdem: Wenn er vom Baum wegginge, zöge er unverzüglich ihre Aufmerksamkeit auf sich.
    Er blickte nach oben. Die Zypresse, an der er lehnte, maß am unteren Ende über einen Meter im Durchmesser und lief nach oben in einer Abfolge von dicht am Stamm wachsenden Zweigen spitz und geradlinig zu. In unmittelbarer Nähe stand eine ebenso imposante Pinie, die jedoch viel mehr gebogen war und deren Astwerk über den Park hinausreichte. In zehn Meter Höhe waren die beiden Bäume eng miteinander verflochten.
    In Nathan keimte eine Idee.

    ***

    Die Wächter gehörten zur Familie. Wie alle Mitglieder besaßen auch sie außergewöhnliche physische Fähigkeiten. Dennoch wäre keiner von ihnen in der Lage gewesen, drei Meter senkrecht in die Höhe zu springen, einen Ast zu ergreifen, sich mit den Armen daran hochzuzie-199

    hen, so

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