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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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diskret wie ein Schatten die nächsten Äste zu erklimmen und in den benachbarten Baum hinüberzu-gleiten, ohne dabei das kleinste Zweiglein knacken zu lassen.
    Sie waren auch nicht in der Lage, Nathan zu beobachten, als er über ihre Köpfe hinwegkletterte und direkt über der Umfassungsmauer hing.
    Das Riskanteste lag noch vor ihm. Nathan hatte einen runden, schweren Stein mitgenommen. Er schleuderte ihn wuchtig in Richtung Schwimmbecken. Das Geräusch beim Aufprall auf die Wasseroberfläche veranlasste die Wächter sich umzudrehen. Nathan ließ sich ins Leere fallen.
    Mit angewinkelten Beinen federte er die Landung ab und presste sich gegen die Mauer. Auch wenn die Überwachungskameras die Straße filmten – bis jemand Alarm schlagen würde, wäre er längst über alle Berge. Er be-mühte sich, möglichst ungezwungen zu gehen, und hastete dann in eine kleine Nebenstraße.
    Als er außer Sichtweite war, begann er zu laufen. Er hielt erst an, als er eine breite Straße erreicht hatte, die hoch über dem Meer verlief. Wie sollte er Shaés Schule finden? Sie hatte ihm gesagt, dass sie in Vitrolles wohnte, aber mehr wusste er auch nicht.
    Er überlegte gerade, ein Taxi herbeizuwinken, als ein Wagen auf seiner Höhe anhielt. Das Beifahrerfenster war heruntergekurbelt, und ein Mann beugte sich zu ihm herüber.
    Ein alter Mann mit sonnengebräunter Haut und wei-
    ßen, kurzgeschorenen Haaren.
    Ein alter Mann mit strahlend blauen Augen.

    200

    »Möchtest du, dass ich dich irgendwo hinbringe, Nathan?«

    201

15
    athans erster Reflex war, Rafi zum Teufel zu jagen.
    N Dieser Typ hatte ihn auf dem Parkplatz abgesetzt, als er …
    Auf einmal wurde ihm die Komplexität dieser Persönlichkeit klar. Rafi hatte es abgelehnt, Shaé in äußerster Not zu retten, aber dafür gesorgt, dass Nathan ihr begegnete. Er war ein Lügner, aber gleichzeitig auch jemand, der seinem Vater und Barthélemy geholfen hatte, seine Mutter zu retten. Jemand, der in dieser Angelegenheit eine maßgebliche Rolle spielte.
    Wenn Nathan mehr über diese Rolle erfahren wollte, blieb ihm nur eines übrig.
    Er öffnete die Wagentür und stieg ein.
    »Ich bin glücklich zu sehen, dass du deinen eigenen Weg auf gute Weise gehst«, erklärte Rafi und hielt seine rechte Hand aufs Herz.
    »Wer sind Sie und welches Spiel spielen Sie?«, konterte Nathan. »Wenn Sie mir nicht sofort antworten, dann … dann …«
    »Ich dachte, das Wichtigste ist, vor deinem Onkel bei Shaé zu sein.«
    Nathan errötete bis in die Haarspitzen.
    »Sie wissen, wo sie ist?«, stammelte er.
    »Selbstverständlich. Du vergisst, dass ich ein Führer bin und die Wege für mich kein Geheimnis sind. Alle Wege.
    Wollen wir?«

    202

    Nathan konnte gerade noch mit dem Kopfnicken, da trat Rafi auch schon aufs Gaspedal.
    Es war acht Uhr morgens, und auf den großen Straßen von Marseille herrschte dichter Verkehr. Die Fahrzeuge rollten meistens im Schritttempo, während die Fahrer mit gewohnter Ungeduld und Resignation auf die Uhr sahen. Mit einem geschickten Lenkmanöver scherte Rafi in die Busspur aus und raste mit gedrückter Hupe im Höllentempo durch die Stadt. Er fuhr über mindestens zehn rote Ampeln, vermied eine Reihe von Unfällen nur knapp, schoss durch drei Einbahnstraßen in entgegengesetzter Richtung und fuhr nie langsamer als achtzig Stundenkilometer.
    Nathan lag eine Unmenge von Fragen auf der Zunge.
    Aber er schwieg und krallte sich mit den Händen am Türgriff fest, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen.
    Er hätte sich nie, auch nicht in seinen schlimmsten Albträumen, ausmalen können, dass jemand so schnell und so schlecht fahren – und das Ganze unbeschadet überste-hen würde.
    Als Rafi auf die Autobahn einbog, entspannte sich Nathan leicht, ließ aber den Türgriff nicht los. Er tat gut daran. Der Tacho zeigte bald zweihundert an. Rafi um-fuhr im Slalom die anderen Fahrzeuge und hatte keine Skrupel, auf dem Sicherheitsstreifen zu überholen. Er hupte jetzt nur noch in Abständen, wobei Sekundenbruchteile nach jedem Warnton ein noch gefährlicheres Überholmanöver folgte als die vorhergehenden und Nathan jedes Mal ein Stück tiefer in seinen Sitz rutschte.
    Keine fünfzehn Minuten, nachdem sie losgefahren waren, erreichten sie Vitrolles, und Nathan hätte ein Ver-203

    mögen dafür gegeben, nicht in diesem Wagen zu sitzen.
    Er hatte das Gefühl, um zwanzig Jahre gealtert zu sein.
    Mit quietschenden Reifen stoppte Rafi an einem massiven, eingezäunten grauen

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