Das Aion - Kinder der Sonne
er: »Der größte Schock für alle war jedoch die Entdeckung der äußeren Barriere. Davon haben wir hier in unserem tollen Scheinreservat erst sehr viel später erfahren. Das Institut hatte nach Sol-Daleth wochenlang erfolglos versucht, Kontakt mit Radiostationen, Funkzentralen oder anderen wissenschaftlichen Einrichtungen auf der ganzen Welt aufzunehmen. Die Einzigen, die geantwortet hatten, waren ein blinder Amateurfunker im alten Djado und der Cargoflughafen von Gao.« Bausch gähnte so herzhaft, dass Mira befürchtete, er könnte seinen Zigarrenstummel verschlucken. »Der Erste, der auf die äußere Barriere gestoßen war, war ein Helikopterpilot aus Assara, möge er in Frieden ruhen. Man fand die Trümmer seiner Maschine zwanzig Kilometer nördlich von Sokoto, nachdem man die Koordinaten aufgesucht hatte, an denen sein Funkspruch abgerissen war. Die äußere Barriere umschließt nahezu die gesamte nordafrikanische Wüste. Bis heute weiß niemand, was dahinter los ist, ob es die Welt, wie wir Alten sie einmal kannten, noch gibt, oder ob alles zur Hölle gefahren ist. Seit Sol-Daleth gab es keinen Kontakt mehr zu jemandem, der sich auf der anderen Seite befindet.
Vor einigen Jahren hatten Techniker des Instituts herausgefunden, wie es möglich ist, zumindest für wenige Minuten eine Lücke in der inneren Barriere zu schaffen, durch die ein Mensch oder ein Fahrzeug auf die andere Seite hinüberwechseln kann. Doch dies kam für die Dorfbewohner und die Passagiere, die den Absturz der Nathan schwer verletzt überlebt hatten, viel zu spät. Viele Menschen hier im Dorf wie etwa dein Vater vermuten daher bis heute, dass die Barriere, die das Dorf umgibt, in Wirklichkeit ein Konstrukt des Instituts ist, eine künstlich geschaffene Quarantänegrenze – erst recht, seit es euch Betas gibt. Ich weiß, dass es nicht so ist, aber auf mich hört ja keiner …«
»Was hat das denn mit uns zu tun?«, wunderte sich Mira.
Bausch schnaubte verächtlich durch die Nase. »Überhaupt nichts, Prinzessin, das ist es ja. Alle sagen, die Sonne sei nicht mehr die Alte, ihre Strahlung sei schädlicher, heißer, zerstörerischer. Höherer Blödsinn, wenn du mich fragst. An der Sonne hat sich seit den Flares kaum etwas geändert, wohl aber an der Erde. Oder besser gesagt: an unserem Schutzschild. Die Magnetosphäre hat sich wieder stabilisiert, aber die Ozonschicht, die die Erde seit Urzeiten vor der ultravioletten Strahlung geschützt hat, ist seit dem dritten Sonnensturm so gut wie nicht mehr vorhanden. Und das ist fast genauso verhängnisvoll wie ein fehlendes Magnetfeld. Oder anders ausgedrückt: Das endgültige Ende der Menschheit ist nur noch eine Frage der Zeit.«
Bausch kicherte schadenfroh vor sich hin. Man hörte ihm deutlich an, dass er inzwischen mehr getrunken hatte, als gut für ihn war.
»Und dann habt ihr Betas das Licht der Welt erblickt!«, rief er plötzlich so laut, dass Mira zusammenzuckte. »Es dauerte eine Weile, bis man herausfand, dass sich euer genetischer Code von dem herkömmlicher Menschen unterscheidet. Ihr seid etwas Neues, eine Mutation, von der man nicht wusste, ob sie ein Fluch oder ein Segen ist – die Rettung der Menschheit oder ihr endgültiger Untergang. Fakt ist: Ihr Betas seid resistent gegen die ungefilterte Sonnenstrahlung. Fast schien es, als hätte die Evolution die Schnauze gehörig voll gehabt von den Eskapaden der Sonne und daher die passende Antwort geliefert: Homo superior, den hohen, den überlegenen Menschen.
Im Institut glaubt man, dass Sol-Daleth für die Veränderung der Erbsubstanz eurer Mütter verantwortlich war. Wusstest du, dass es euch nur hier gibt? Nur hier, in diesem gottverlassenen Wüstenkaff, und sonst nirgends?«
Er gluckste belustigt, dann schwieg er. Als Mira befürchtete, er sei wieder eingeschlafen, fragte sie: »Willst du damit sagen, wir Betas sind keine Menschen?«
Bausch öffnete ein Auge. »Natürlich seid ihr Menschen, Prinzessin«, nuschelte er. »Nur eben ein wenig … anders. Eine Variation.« Er öffnete kurz auch das zweite Auge und sah Mira an. »Ihr seid Kinder der Sonne!«
4 Alpha Carinea
Sie brachen kurz nach Mittag auf.
Ben hatte ein robustes, plump wirkendes Gefährt vor Miras Haus geparkt, ein beigefarbenes Quad mit Ballonreifen und massiven Überrollbügeln. Seine riesigen Hinterräder ließen es aussehen wie eine fette Kröte auf Rädern. Ben nannte es einen Dünenbuggy.
Mira hatte nach ihrem nächtlichen Besuch bei Bausch
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