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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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erloschen die Bilder. Aus den Helmkopfhörern drang ein Geräusch, das sich wie ein verhallender Schrei aus Hunderten von Kehlen anhörte, dann herrschte Stille, begleitet von leisem Rauschen.
    »Was … ist denn?«, presste Mira mühsam hervor.
    »Die Aufzeichnung ist zu Ende«, erklärte Bausch. »Und wenn du an meiner Stelle wärst und dich von hier aus beobachten könntest, wärst du genauso erleichtert darüber wie ich.«
    Mira antwortete nicht. Stattdessen versteckte sie sich minutenlang in der gnädigen Dunkelheit des Helmes. Bausch war es schließlich, der ihr die Apparatur behutsam abnahm und sie in die Wirklichkeit zurückholte. Sein Blick wurde sorgenvoll, als er ihre Tränen und ihren abwesenden Gesichtsausdruck erkannte.
    »Alles in Ordnung, Prinzessin?« Eine Weinfahne wehte Mira ins Gesicht. Sie schmeckte Blut. Ohne es zu bemerken, hatte sie sich die Unterlippe wund gebissen. Sekundenlang blickte sie den alten Mann an – und durch ihn hindurch. Dann nickte sie, unfähig, einen Ton zu sagen. Bausch hatte sich ein frisches Hemd übergezogen, aber seine Augen wirkten glasiger denn je.
     
    Kurze Zeit später saß Mira wieder auf Bauschs Sofa, den Körper in Wolldecken geschlungen und eine Tasse heißen Minztee in den Händen. Noch immer zitterte sie, doch es rührte von einer Kälte, die von innen kam. »Aber was hat das alles mit diesem Homo superior zu tun?«, fragte sie zwischen zwei Schlucken. »Ist das nur ein anderes Schimpfwort für Betas? Erzähl mir den Rest.«
    Bausch starrte eine Weile teilnahmslos vor sich hin. »Der Rest, ja … Deine Geschichte, hm? Eure Geschichte …« Er kratzte sich geistesabwesend. »Wenn du ihn unbedingt hören willst …«
    Statt zu antworten, nickte Mira nur schwach.
    »Na gut, warum auch nicht. Irgendwann gibt es schließlich für alles ein erstes Mal.« Er zündete sich eine seiner Zigarren an, deren scheußlicher Gestank einen ganzen Schwarm Ungeziefer zu befreien vermochte. »Sol-Daleth dauerte lediglich zwei Tage«, erklärte Bausch, nachdem er die ersten Qualmwolken zur Decke geblasen hatte. »Es war fast, als hätte die Sonne zum Abschluss noch einmal zynisch geblinzelt und gesagt: ›vergesst mich nicht, ihr kleinen Kriecher da unten!‹
    Über die Hälfte der Menschen an Bord der Nathan waren beim Absturz des Zeppelins ums Leben gekommen. Den meisten der Überlebenden war jedoch kein glücklicheres Schicksal beschieden. Viele von ihnen waren durch den Strahlensturm gezeichnet oder von Verbrennungen entstellt worden – ebenso wie die fast 500 Dorfbewohner, die uns zu Hilfe geeilt waren.
    Was uns bald darauf weit mehr schockierte als die Tragödie der Nathan oder die Strahlenkrankheit, war die Entdeckung der Barriere. Ich werde nie vergessen, wie es ist, mitten in der Wüste mit einem Kleinbus voller Schwerverletzter plötzlich gegen eine unsichtbare Wand zu fahren. Der Bruch in meinem rechten Bein, den ich mir dabei zugezogen hatte, ist nie ganz verheilt.
    Ein paar Stunden nach dem Unfall erreichte ein über Funk alarmiertes Ärzteteam des Carinea-Instituts die Barriere. Wir flehten sie um medizinische Hilfe an, baten um Medikamente und darum, die am schwersten Erkrankten ins Institut bringen zu dürfen – doch es war absolut unmöglich. Wir standen einander gegenüber, konnten uns sehen und hören, doch weder ihnen noch uns war es möglich, die Barriere zu durchdringen. Diese Ohnmacht und Hilflosigkeit war etwas, das dein Vater dem Institut bis heute nicht verziehen hat, als wären die Menschen dort für die unsichtbare Grenze verantwortlich. Er ist und war seit jeher ein rational denkender Mensch, für den so etwas wie eine höhere Macht nicht existiert. Durch die Strahlenschäden ans Bett gefesselt, hatte er sich damals seine eigene Wahrheit zusammengereimt – und ich fürchte, an diesem Irrglauben, entstanden aus Verbitterung, Zorn und Verzweiflung, hält er bis heute fest.«
    Bausch starrte seine Zigarre an, als könne er für einen Moment selbst nicht glauben, was er da für ein Kraut rauchte, dann fragte er: »War er je dort?«
    »Wo?« Mira blinzelte den alten Mann verwundert an. »Im Institut?«
    »An der Barriere. Hat er sie je mit eigenen Augen gesehen, sie berührt? Und sich von ihrer Unüberwindbarkeit überzeugt?«
    Das Mädchen zuckt mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Er hat nie etwas davon erzählt.«
    »Ich wette, er war nie dort«, brummte Bausch. »Das hätte sein Weltbild zu sehr erschüttert.« Er machte eine Pause, dann sagte

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