Das Aktmodell
berühren. Einen Moment lang sind wir ganz still, schwelgen in sinnlichen Erinnerungen an seidene Fesseln, milchweiße Brüste, pinkfarbene Nippel. An Hüften, die sich im Gleichklang wiegen, seinen harter Ständer, der mich ganz verrückt macht vor Verlangen. Nackt und schweißgebadet im Mondschein.
Als wir nur noch einen Atemzug von einem Kuss entfernt sind, wird unser zärtliches Spiel durch das laute Kläffen der beiden Terrier beendet, die von Madame Chapet recht unsanft von der Couch auf den Teppich geschubst werden.
“Ihre Zeit ist um, Monsieur Borquet”, stellt sie lauthals fest.
“Wann kann ich Mademoiselle Maguire wiedersehen?”
“Wenn die anderen Künstler das gleiche Vergnügen haben wie Ihr, Monsieur.”
“Madame?”
“Morgen. Im Atelier von Monsieur Gromain”, sagt Madame Chapet lächelnd.
“Ohne ihre Kleider.”
Nackt.
Ich stehe auf einer knapp einen halben Meter hohen hölzernen Plattform, über meinen Körper nur ein dünnes Laken drapiert, den Rücken den neugierigen Augen der Künstler zugewandt. Ich höre sie atmen, fühle ihre gierigen Blicke. Sie warten nur darauf, dass ich das Laken sinken lasse.
Jemand lässt einen Stift fallen, und er rollt geräuschvoll über den irdenen, mit Farbflecken bedeckten Boden. Rot. Blau. Schmutziges Gelb. Jemand hustet und niest dann. Und ist das das Geräusch einer Whiskeyflasche, die geöffnet wird? Der bekannte Wermutduft von Absinth überdeckt die Gerüche von Farben, Terpentin und ungewaschenen Körpern, die in der Luft des Ateliers liegen und meine Nase mit ihrer Intensität kitzeln.
Ich drehe mich um. Langsam. Vorsichtig. Der morgendliche Frühnebel hat sich über das spärliche Sonnenlicht gelegt, das durch das Deckenfenster dringt. Neugierig schaue ich mich um. Die Gesichter der Maler kann ich nicht erkennen, vor allem nicht die von denen in den hinteren Reihen, aber ich kenne ihre Namen: Degas, Cézanne, Pissarro, Monet … und der Meister der Karikatur, Toulouse-Lautrec. Jeder Künstler wartet vor seiner Staffelei, bereit, mit einem Stift, Kreide oder Kohle an diesem Morgen ein lebendes Modell zu zeichnen.
Ich studiere sie genau, aber ich bin zu nervös, um mich länger mit einem einzelnen Gesicht zu beschäftigen. Sie beobachten mich, verdammt noch mal. Es ist eine Sache, sich vor einem Fremden nackt auszuziehen, so wie ich es im Quartier Marais getan habe. Aber das hier sind
die
Impressionisten. Bin ich verrückt geworden?
Ich habe schreckliche Angst und bin gleichzeitig erregt und zittere vor Aufregung. Ich bin das Modell für die künstlerischsten und innovativsten Gehirne der impressionistischen Bewegung.
Alle außer einem.
Wo ist Paul?
“
Le drap
, Mademoiselle Maguire, das Laken … lasst es fallen”, kommt eine Stimme aus einer dunklen Ecke, weit entfernt von dem Deckenfenster des Ateliers. Monsieur Gromain, der Besitzer des Studios, wird ungeduldig. Seine Zukunft hängt vom Erfolg des heutigen Tages ab. Es ist kein Geheimnis, dass Monsieur Gromain viele Schüler verloren hat, weil er sich weigerte, mit der Zeit zu gehen. Viele Künstler wanderten zur
Académie Suisse
ab, wo Landschaftsmaler wie Monet und Cézanne sich anatomische Kenntnisse aneigneten, indem sie gegen geringe Gebühr hässliche Modelle in Strumpfhosen abzeichneten. Also engagierte Monsieur Gromain einen Trupp Handwerker, um dem heruntergekommenen Studio zu neuem Glanz zu verhelfen, und startete dann eine Kampagne, die die Künstler zu ihm zurückbringen sollte. Dafür brauchte er ein neues Modell.
Eine Schönheit. Unberührt. Und jungfräulich.
Jungfräulich?
Ich lächle. Ich sehe so aus, und auch wenn meine Maße nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, besteht Madame Chapet darauf, dass ich einen perfekten Körper habe. Ich bin eigentlich etwas zu schlank und sportlich. Aber Monsieur Gromain hat es gefallen, als ich ihm vorgestellt wurde. Trotz meiner Weigerung, mich vor ihm auszuziehen, reichte der Anblick meines Gesichts und meiner Beine, um dem Studiobesitzer die Röte in die dicken Wangen zu treiben und ihn mit einem harten, steifen dritten Bein davonziehen zu lassen.
Er ist nicht der einzige Mann, der sich für mich interessiert. Delphine hat mir von dem mysteriösen Lord Bingham erzählt, dem Duke of Malmont, der jeden Tag kommt, um mich zu sehen, aber von Madame Chapet immer wieder abgewiesen wird.
La Madame
beharrt darauf, dass ich ihr mehr Geld einbringe, wenn ich als Modell für das
L’Atelier Gromain
arbeite, als wenn ich
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