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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Reichweiten gelegen hätten.
Wann immer er sein Garn spann – und ganz gewiss nur dann –, hingen
die Frauen an seinen Lippen; matronenhafte Witwen wie Lady Glyde beteten ihn
geradezu an. Er hatte sich einen Pfad ins Herz der feinen Gesellschaft gebahnt
und bekam dort als eine Art Alleinunterhalter seine festen Auftritte. Die ihn
vor allem interessant machten.
    Selbstverständlich gibt es die entfernte
Möglichkeit, dass ihm ein weitaus größeres Maß an Bedeutung zukam. Doch alles
zu seiner Zeit.
    Ich traf nur ein-, zweimal mit ihm zusammen, und,
ehrlich gesagt, hielt ich nicht viel von dem Mann. Aber ich muss darauf
bestehen, dass Sie sich Ihre eigene Meinung über ihn bilden.
    Sobald Lady Glyde Moon mit rauher
Stimme ins linke Ohr geflüstert hatte, wer und was Cribb zu sein vorgab, war
der Magier und Detektiv davon so ausnehmend unbeeindruckt, dass er die Ehrlichkeit
des Mannes in Frage stellte.
    »Mister Moon!«, rief daraufhin die Gastgeberin in
Pseudoentrüstung aus. »Ich glaube jedes Wort, das ich von ihm gehört habe!«
    »Sie enttäuschen mich.«
    Moon blieb noch ein, zwei Stunden, mischte sich
halbherzig unter die anderen Gäste und wünschte sich doch die ganze Zeit über
nur, endlich mit seiner Detektivarbeit fortfahren zu können. Der Schlafwandler
hatte in der Zwischenzeit einen freien Sessel und einen Krug Milch gefunden und
sich niedergelassen, um sich ernsthaft dem Trunke zu ergeben.
    Sobald es der Anstand erlaubte, wandte sich Moon
zum Gehen, worauf Lady Glyde sich wie eine Klette an seinen Arm hängte, um ihn
zur Tür zu begleiten. Auf dem Weg dorthin kamen sie an Cribb vorbei.
    »Adieu, Mister Moon. Ich werde Sie nicht mehr
sehen.«
    »Ich sollte die Enttäuschung überleben, denke
ich.«
    Ein schlaues Grinsen. »Sie missverstehen mich,
Sir. Dies mag sehr wohl das letzte Mal sein, dass ich Sie sehe, aber es ist
ganz gewiss nicht das letzte Mal, dass Sie
mich
sehen! Einiges muss noch
passieren, ehe Sie den letzten Blick auf mich werfen.«
    Moon starrte ihn nur an. »Das ist doch bloß dummes
Geschwätz!«
    »Ich bin ein lebender Widerspruch, Mister Moon.
Sie werden noch draufkommen.« Ein sonderbar wehmütiges Lächeln erschien auf
Cribbs Gesicht, ehe er sich verbeugte und wieder zwischen den anderen Gästen
verschwand.
    »Er hat schon was Besonderes an sich, nicht wahr?«
    »Es freut mich, wenn er Sie amüsiert«, sagte Moon
zur Lady, die seinen Arm ein wenig fester drückte als wirklich notwendig war.
»Aber nun müssen Sie mich entschuldigen, ich muss mich schleunigst auf den Weg
machen.«
    »So früh schon?«
    »Ich muss noch arbeiten.«
    »Sehe ich Sie bald wieder?«, fragte sie
hoffnungsvoll.
    Moon schenkte ihr ein letztes verkniffenes
Lächeln. »Ich empfehle mich, Madam.«
    Seine Verpflichtungen für diesen Abend erfüllt,
trat Moon hinaus in die Nacht.
    Er war kaum fünf Schritte weit gekommen, als ihn
eine mittlerweile nicht mehr unbekannte quengelnde Stimme innehalten ließ.
»Edward!«
    Er drehte sich um; der widerliche Mensch von
vorhin stand als Silhouette in der offenen Tür.
    »Was wollen Sie?«, rief Moon; er gab sich keine
Mühe, seine Verärgerung zu unterdrücken.
    Cribb war herangetreten, packte die linke Hand des
Magiers und umklammerte sie mit seiner. Es war sicher Einbildung, aber Moon
hätte schwören können, dass dem lächerlichen kleinen Mann Tränen in den Augen
standen.
    »Mister Moon!« Seine Stimme zitterte und klang
belegt. »Edward!«
    Moon tat sein Bestes, dem anderen seine Hand zu
entziehen, aber Cribb hielt sie zu fest in der seinen. »Bitte. Lassen Sie mich
reden. Lassen Sie mich ausreden! Wir haben so viel miteinander durchgemacht!«
    »Unsinn! Wir haben uns gerade erst kennengelernt!«
    »O nein! Sie und ich – wir haben gemeinsam
dem Tod ins Auge geblickt! Wir sind dem Schlimmsten, das diese Stadt zu bieten
hat, begegnet und haben es überlebt! Ich möchte Ihnen sagen, welch eine Ehre
und Auszeichnung es für mich war und ist, Sie zu kennen! Ihr …« Die Emotion
wollte ihn schier ersticken, und so rang er verzweifelt nach Luft, die er
japsend in die Lunge sog, bis er seine Fassung wiedererlangte und kläglich den
Satz vollendete: »… Ihr Freund gewesen zu sein.«
    Moon nahm an, der Mann sei betrunken, und entriss
ihm seine Hand.
    »Jetzt verstehen Sie mich noch nicht«, fuhr Cribb
fort. »Aber das werden Sie bald tun, ich verspreche es Ihnen. Und es wird Ihnen
leid tun. Es wird Ihnen leid tun, nicht adieu gesagt zu haben!«
    Aber Moon setzte

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