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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Fremdkörper im übrigen Bauwerk. Kalkstein
vielleicht, dachte Moon, oder Sandstein.
    »Und was soll ich da sehen?«
    »Den Stein von London«, hauchte Cribb, einen
Anflug von Ehrfurcht in der Stimme.
    Der Detektiv starrte ihn gereizt an.
    »Es gibt viele Geschichten über die Ursprünge der
Stadt«, begann der hässliche Mann und ignorierte die missbilligenden Blicke
jener Gläubigen, die ihrer Sinne immer noch mächtig waren. »Nach der Legende
waren ihre Begründer Kinder der Antike. Brutus soll hierhergesegelt sein,
geleitet durch einen Traum von der Göttin Diana, in welchem sie ihm die ganze
Geschichte Londons voraussagte. ›Jenseits des Sonnenunterganges‹, verkündete
sie ihm –«, und an dieser Stelle der Schilderung machte Cribb sich eine
peinliche Annäherung an die Stimme einer Frau zu eigen –, »›jenseits des
Reiches der Gallier, liegt eine Insel, die, einst von Riesen bevölkert, nunmehr
unbewohnt und leer ist. Ich habe sie als Zufluchtsstätte für dein Volk
vorgesehen. In künftigen Zeiten wird sie sich als zweites Troja erweisen. Dort
wird deinem Stamm ein Königsgeschlecht entspringen, und das ganze Erdenrund
wird seiner Herrschaft untertan sein.‹«
    Moon gähnte.
    Cribb spann sein Garn weiter, und die alte
Geschichte floss ihm mühelos über die Lippen. »Die Göttin gab Brutus diesen
Stein. Sie versprach, dass die Stadt blühen und gedeihen werde, so lange es ihn
gibt. Aber ihre Warnung war klar: wenn der Stein verlorengeht, wird die Stadt
untergehen.« Er blickte um sich und musterte das schäbige Innere der Kirche. »Ehrlich
gesagt, finde ich, dass wir bessere Sorge für ihn tragen sollten.«
    »Ein hübsches Märchen«, bemerkte Moon und warf
noch einen Blick auf den Stein.
    »Dies hier war immer schon ein heiliger Ort. Wo
wir jetzt stehen, machte Boudicca einst alles dem Erdboden gleich; in ein paar
Jahren werden die Archäologen die Spuren ihrer Rache in Form einer Schicht
roten Erdreichs entdecken, eines scharlachroten Fadens, der durch Londons
Geschichte läuft. Selbst jetzt fühlt man eine gewisse … Dünnheit hier.
Können Sie sie nicht spüren?«
    Moon verzog das Gesicht. »Hören Sie«, sagte er so
verständnisvoll wie nur möglich, »sollten wir nicht das alles vergessen und uns
irgendwo zu einem Glas zusammensetzen?«
    »Sie müssen das Wesen der Stadt begreifen lernen«,
sagte Cribb und erhob sich. »Kommen Sie. Es gibt noch mehr zu sehen.«
    Ärgerlich über den Mann, aber unwillkürlich
beeindruckt, folgte Moon ihm über die Cannon Street und ins Zentrum des
Börsenviertels. Dies war kein Teil der Stadt, den zu durchwandern er je das
Bedürfnis gehabt hätte: Ungeachtet des Geruchs nach Wohlstand hatte die Gegend
etwas unbestimmt Bedrückendes an sich, etwas Graues, Beklemmendes. Scharen
schwarzgekleideter Männer schritten entschlossen durch die Straßen –
aufgeblasene Krähen, die keinen Blick für den Magier und seinen abstoßenden
Begleiter hatten. Ein ausgeprägter Geruch, den Moon kaum kannte, war
allgegenwärtig: das durchdringende Aroma des Kommerzes – der satte,
trockene, schäbige Gestank nach Geld.
    Sie bogen in die King William Street ein und gingen
über die kurze Change Alley zur Threadneedle Street.
    »Ein Großteil dieses Viertels wird zerstört
werden«, stellte Cribb sachlich fest.
    »Zerstört?«
    »In Trümmer gelegt, ausradiert von Bomben aus der
Luft.«
    »Unmöglich!«
    »Saint Swithin etwa wird in vierzig Jahren in
einen Schutthaufen verwandelt. Sie bauen eine Bank obendrauf. Nichts bleibt
übrig, was darauf hinweisen würde, dass die Kirche je existiert hat.«
    »Und wie sollten Sie imstande sein, das zu
wissen?«
    Cribbs abstoßendes Gesicht verdüsterte sich einen
Augenblick lang. »Ich habe es gesehen. Mehr als einmal. Die ersten Bomben
fallen in ein, zwei Jahrzehnten.«
    Moon lachte auf. »Sie scherzen!«
    Als Antwort lächelte Cribb nur aufreizend milde
und ging weiter, was Moon zu ein paar raschen, albern weiten Sätzen zwang, um
aufzuholen. Sie kamen zur Threadneedle Street, wo die beiden Herzstücke der
Stadt vor ihnen aufragten: das große Rathaus von London und die Bank von
England.
    »Ich frage mich immer, was es mit diesen beiden
auf sich hat«, bemerkte Moon beiläufig und zeigte hinauf auf zwei Statuen, die
Wind und Wetter trotzend über dem Tor des Rathauses Wache standen – zwei
steinerne Giganten in Tierfellen, die hölzerne Keulen schwangen.
    »Sollten Sie demnach doch lernwillig sein?«
    »Ich bin neugierig.«
    Mit

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