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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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habe keine Ahnung, warum ich Ihnen das alles erzähle. Ich
darf mich doch auf Ihre Diskretion verlassen?«
    Cribb nickte.
    Moon stand auf. »Ich muss mich jetzt
verabschieden. Die Abendvorstellung wartet.«
    Draußen auf der Straße winkte der Detektiv eine
zweirädrige Droschke herbei. »Ich danke Ihnen für unsere Unterhaltung«, sagte
er zu Cribb, als die Droschke abrupt vor ihnen anhielt. »Ich bin mir nicht
sicher, wie viel davon ich richtig verstanden habe, aber es war zweifellos
recht vergnüglich.«
    »Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.«
    Moon bestieg die Droschke und trug dem Kutscher
auf, ihn schnellstmöglich zum Albion Square zu bringen.
    »Können wir uns wieder einmal treffen?«, fragte
Cribb, während Moon sich für die Fahrt zurechtsetzte.
    Moon überlegte einen Augenblick lang. »O ja,
gern.«
    Als sich das Gefährt in Bewegung setzte, schien
sich Cribb plötzlich noch an etwas zu erinnern. »Mister Moon! Ich habe es ganz
vergessen! Ich muss Sie warnen! Treffen Sie sich keinesfalls mit …«
    Aber was der Mann auch immer noch gesagt haben
mochte – es ging unter im Rattern und Klappern der Räder, als die Droschke
den Finanzdistrikt hinter sich ließ und Moon im Galopp in heimatliche Gefilde
zurückbrachte.
    Detektiv-Inspektor Merryweather befand
sich an diesem Abend unter den Zuschauern; er brach in Beifallsrufe aus und
spendete Applaus wie alle anderen, obwohl er die Vorstellung schon ein Dutzend
mal gesehen haben musste. Hinterher, im »Gewürgten Bengel«, beglückwünschte er
Moon und den Schlafwandler, lachte dröhnend und ohne Unterlass, drückte den
beiden die Hände und dankte ihnen überschwänglich für die Klärung der
Honeyman/Dunbar-Morde. »Damit ist die Sache doch vom Tisch, oder?«, fragte er
zuversichtlich.
    Moon wirkte schon den ganzen Abend lustlos und
geistesabwesend. »Ich glaube nicht.«
    »Aber wir haben unseren Mann doch gefunden!«,
protestierte der Polizeiinspektor. »Er liegt im Leichenschauhaus und fängt an
zu stinken!« Er wandte sich an den Schlafwandler. »Geben Sie mir doch
Hilfestellung, Junge! Sagen Sie, dass ich recht habe!«
    Der Riese saß an der Theke auf einem Barstuhl, der
sich geradezu winzig unter ihm ausnahm, und hatte einen halb geleerten Krug
Milch vor sich stehen. Er schüttelte trübsinnig den Kopf und widmete sich
wieder seiner Milch.
    »Es fehlt das Motiv«, sagte Moon unvermutet. »Er
war nichts als die Zugnummer eines herumziehenden Vergnügungsparks. Warum hätte
er es tun sollen? Er hatte keinen Vorteil davon.«
    Merryweather wischte diese Einwände beiseite.
»Sollte mich nicht wundern, wenn er aus irgendeiner Anstalt geflohen wäre, und
solche Leute brauchen keine Motive. Er wäre nicht der erste von dieser Sorte,
das wissen Sie so gut wie ich.«
    »Es gibt da irgendeine Verbindung. Der
Fliegenmensch kannte meinen Namen. Er erkannte mich wieder!«
    Was Merryweather wenig überzeugte. »Sie waren sehr
müde. Wir waren alle ein wenig durcheinander. Vielleicht haben Sie da etwas
missdeutet … Etwas gesehen oder gehört, was nicht vorhanden war.«
Zufrieden mit sich und seinen Ausführungen trank der Inspektor den Rest seines
Bieres auf einen Zug aus. »Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte er und
verschwand hinter der Theke.
    Der Schlafwandler zog Moon am Ärmel, aber der
Magier schien ärgerlich über die Störung. »Was ist los?«
    WO WARS DU
    Moon zögerte mit der Antwort. »Bei
einem Freund«, sagte er dann.
    CRIBB
    »Bist du mir gefolgt?«
    Der Schlafwandler schüttelte nachdrücklich den
Kopf.
    »Weißt du, er glaubt, du hättest ihn
wiedererkannt.«
    SCHLECHT
    »Eigentlich ist er ein recht interessanter
Mensch, wenn man sich länger mit ihm unterhält. Du solltest dich wirklich
bemühen, nicht so rasch mit einem Urteil zur Hand zu sein.«
    Der Schlafwandler setzte zum Schreiben einer
Entgegnung an, aber Moon legte plötzlich eine ungewohnte Gereiztheit an den Tag
und schlug ihm die Kreide aus der Hand.
    »Später«, murmelte er.
    Der Inspektor kehrte zurück, das Glas in seiner
Hand randvoll mit einer öligen, gefährlich aussehenden Flüssigkeit.
    »Ich bin zu einer Entscheidung gekommen«, erklärte
Moon. »Unsere Untersuchungen sind noch nicht zu Ende.«
    »Ich bitte Sie!«, sperrte sich Merryweather. »Ich
verstehe schon, dass Sie sich tödlich langweilen, aber das geht zu weit, das
ist einfach lächerlich! Es wird nicht lange dauern, und wir haben einen neuen
Fall!«
    Der Detektiv ging nicht auf seine Worte ein.

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