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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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hochzüngelten, ihr
mächtiger Leib bebte und in Erwartung des unabwendbaren Feuertodes langsam
dahinzuschmelzen begann.
    Moon erwachte drei Stunden nachdem er
das Bewusstsein verloren hatte, wankte auf die Füße und erbrach sich ausgiebig
ins Waschbecken. Er spülte das Gröbste weg, und als die gelbliche Flüssigkeit
durch den Abfluss gurgelte, war ihm, als würde sie leise und spöttisch
glucksend in sich hineinlachen. Er sank wieder aufs Bett und überließ sich dem
Schmerz, denn das Innere seines Schädels wurde mit Rammböcken bearbeitet; seine
Glieder bestanden aus einer gummiartigen Masse, und sein Mund war eine trockene
Wüstenei.
    Als er die Augen wieder öffnete, hatten sich die
körperlichen Qualen zwar einigermaßen gelegt, aber das Gewitter in seinem Kopf
war schlimmer als zuvor. Mit einem Mal schienen sämtliche Ereignisse der
vergangenen Monate über ihn herzufallen, ihn auszulachen, zu verhöhnen und
jeden klaren Gedanken zu verdrängen. Er betrachtete ein Weilchen den
makellosen, seelenlosen Luxus seines Schlafzimmers und begann dann unter dem
Einfluss eines unwiderstehlichen Drangs – wohlüberlegt und mit pedantischer
Genauigkeit – alles darin zu zertrümmern.
    Mister Skimpole traf eine Stunde später
ein, schwitzend, verdrießlich und dumpf nach Rauch riechend. Am Empfang wurde
er vom Hoteldirektor und von dem Mann, den er zu Moons Bewachung abgestellt
hatte, begrüßt. Was sie ihm zu berichten hatten, war nicht dazu angetan, seine
Laune zu heben.
    Er klopfte an Moons Tür, erhielt aber
erwartungsgemäß keine Antwort. Er probierte es erneut (wieder ohne Antwort) und
bedeutete dann seinem Mann, die Tür aufzubrechen. Ohne auf die schrillen
Protestschreie des Hoteldirektors zu achten, tat der Mann wie geheißen –
und hatte schon beim ersten Versuch Erfolg.
    »Mister Moon?«, rief Skimpole ärgerlich. »Bitte
kommen Sie heraus! Ich bin nicht besonders gütig gestimmt!«
    Moon kam – nicht ohne schlechtes
Gewissen – aus dem Badezimmer.
    Die Suite war nicht wiederzuerkennen: Glasscherben
lagen verstreut herum, Lampen waren zerschlagen, Vorhänge herabgerissen und
zerfetzt, Bilder zerkratzt und verunstaltet, und der Spannteppich war vom Boden
gelöst und lag wie eine große Welle, die sich in den Ecken des Zimmers gefangen
hatte, zusammengeschoben an einer Wand.
    Skimpole sprach zwar in beherrschtem, ruhigem
Tonfall, darunter war jedoch sein unterdrückter Zorn zu spüren. »Was haben Sie
da getrieben?«
    »Sie halten mich gegen meinen Willen fest!«
    Skimpole seufzte. »Wir stehen doch auf derselben
Seite. Ich konnte nur so handeln, denn Sie ließen mir keine andere Wahl.
Außerdem würden die meisten von uns für ein Leben in solchem Luxus über Leichen
gehen. Sie sollten mein Haus sehen; das hier ist, damit verglichen, ein
Palast.«
    »Es ist ein Kerker!«
    Der Albino wirkte ungeduldig und gereizt. »Ich
weiß, Sie hatten gestern einen schweren Tag. Offenbar gab es eine Art
Unstimmigkeit mit Ihrem neuen Freund, Mister … Cribb, nicht wahr?« Ein
fragender Blick an seinen Helfer, um sich der Richtigkeit des Namens zu
versichern. »Nun gut. Ich werde dieses Zimmer aufräumen lassen, und wir
verlieren kein Wort mehr darüber. Sie haben doch gewiss wie jeder andere von uns
den Wunsch, diesen Fall zu lösen, oder?«
    »Unter einer Bedingung: schaffen Sie mir dieses
Schreckgespenst vom Hals!« Moon zeigte auf Skimpoles Gefährten. »Ich halte es
nicht aus, wenn einer unentwegt hinter mir herschleicht. Nicht, dass er dabei
eine besondere Begabung an den Tag legen würde.«
    »Also gut. Aber das ist mein einziges
Zugeständnis. Sie müssen aufhören, sich so zu benehmen, Edward. Alles, was ich
von Ihnen verlange, ist die Lösung dieses einen Problems, und dann können Sie
in Ihr altes Leben zurückkehren. Wenn Madame Innocenti recht hat, dann bleiben
uns nur mehr acht Tage.«
    Moon ließ sich auf den einzigen Stuhl des Raumes
fallen, der überlebt hatte. »
Falls
sie recht hat«, knurrte er. »
Falls.
«
Er stöhnte. »In den letzten Tagen habe ich Dinge zu sehen bekommen, von denen
ich weiß, dass es sie nicht geben dürfte, Dinge, die gegen alle Weltordnung
existieren. Dinge, die in einem rationalen Universum einfach keinen Platz
haben!«
    »Darf ich Ihnen einen Rat geben?«, sagte Skimpole
milde. »Sie sollten das Gleiche machen wie ich, wenn ich mit etwas Bizarrem,
Unheimlichen oder Unerklärlichem konfrontiert werde.«
    »Und was machen Sie dann?«
    »Ganz einfach meine

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