Das Albtraumreich des Edward Moon
zufriedengestellt
hatte, tat es wohl, nach unten in den Empfangssalon zu gehen und sich darauf zu
freuen, mit den anderen Mädchen noch ein wenig zusammenzusitzen und bei ein,
zwei Gläsern Wein ein Schwätzchen zu halten und den neuesten Klatsch zu
vernehmen. So war sie ziemlich überrascht, kein einziges der Mädchen
vorzufinden, sondern nur Mrs Puggsley auf ihrem gewohnten Stuhl, über dessen
Sitzfläche ihre gewaltigen Hinterbacken hinausquollen. Ein pedantisch
gekleideter, bleichgesichtiger Mann stand steif neben ihr.
Mrs Puggsley sah auf und lächelte matt. »Mina,
meine Liebe.« Sie hustete, und ihre ganze Leibesfülle wogte aus Sympathie mit;
dann entrang sich ein Pfeifen ihrer Brust, das sich anhörte wie eine
ausrangierte Dampflokomotive auf dem Weg zum Schrottplatz. »Ich habe die
anderen Mädchen weggeschickt.«
»Weg?«
Mrs Puggsley fühlte sich sichtlich nicht wohl in
ihrer Haut. »Zu ihrer eigenen Sicherheit.«
»Wohin?«
Keine Antwort. Mina wandte ihre Aufmerksamkeit dem
blassen Mann zu. »Ich habe Sie schon gesehen«, sagte sie unverblümt. »Sie sind
ein Freund von Mister Gray, nicht wahr?«
»Oh ja, wir sind alte Kumpel«, antwortete er und
lächelte wie Brutus an dem Tag, als er die Klinge aus der Toga gezogen hatte.
Mina begann, zerstreut an ihrem Bart
herumzuzupfen – eine nervöse Angewohnheit, die bis in ihre Kindheit
zurückreichte und die sie einfach nicht ablegen konnte. »Was ist hier
eigentlich los?«
Mrs Puggsley sah zu ihr auf. »Bitte«, sagte sie
leise. »Geh jetzt.«
»Sagen Sie mir, was geschehen ist!«, beharrte
Mina, ärgerlich über den weinerlichen Tonfall ihrer eigenen Stimme.
»Ich fürchte, es gibt schlechte Nachrichten für
Sie, Mina«, antwortete der bleiche Mann gewandt. »Ihre Nützlichkeit hat ein
Ende gefunden.«
Mrs Puggsley gab ein ungewohntes Schnüffeln von
sich.
»Ich habe beschlossen, dieses Haus zu schließen.
Jammerschade. Doch was sein muss, muss …«
Mina starrte ihre Arbeitgeberin an und hoffte auf
einen Einwand, einen Funken Hoffnung, aber die unförmige Frau war nicht einmal
fähig, ihrem Blick zu begegnen.
»Sie erwiesen sich als eine große Hilfe. Mrs
Puggsley sagt, Sie wären seine Favoritin gewesen. Gewisse Einzelheiten, die Sie
lieferten, waren von allergrößtem Wert.« Er unterbrach sich, um den Kneifer
zurechtzurücken, der lächerlich weit unten auf seiner Nase saß. »Man könnte
ohne Übertreibung sagen, dass man sogar in höchsten Regierungskreisen dankbar
für Ihre Unterstützung ist.« Mit einem öligen Lächeln fuhr er fort: »Kopf hoch.
Sie sehen, dass selbst ein armseliges Geschöpf wie Sie auf seine Weise König
und Vaterland dienlich sein kann.«
»Geh jetzt«, flüsterte Mrs Puggsley zu Mina
gewandt; ihre Stimme war heiser, und sie gab sich keine Mühe, die Verzweiflung
darin zu verbergen oder gegen die anrollende Woge von Hysterie anzukämpfen.
»Ich würde Ihnen vorschlagen, den Rat Ihrer Herrin
anzunehmen«, sagte der bleiche Mann, »denn in ein paar Minuten wird hier alles
in Flammen stehen. Das Direktorium hat das Haus zur Abtragung bestimmt.«
Mrs Puggsley rührte sich nicht.
»Meine Referenzen als Brandstifter sind untadelig.
Man könnte sagen, ich habe es auf Katastrophen abgesehen.« Er feixte wieder,
aber Mrs Puggsley saß nach wie vor schweigend und reglos da. Voll Entsetzen
starrte Mina auf diese Szene.
»Also wissen Sie«, fuhr er im Plauderton fort,
»ich bilde mir ein, ich kann den Rauch schon riechen.«
Mina drehte sich um und rannte aus dem Haus und
auf die Straße, vornübergekrümmt und heftig schluchzend, während ihr bittere
Tränen über die Wangen liefen und in den Bart sickerten.
Sie verließ die Goodge Street und war auf dem Weg
zur Tottenham Court Road, als sie den Rauch sah und überlegte umzukehren.
Gerade wollte ihre treue Gesinnung über den Selbsterhaltungstrieb siegen, als
ein Rudel Rabauken aus einer nahen Kneipe quoll und anfing, lachend mit dem
Finger auf sie zu zeigen. Auf diese Weise wurde ihr die Entscheidung aus der
Hand genommen; sie bemühte sich nach Kräften, den Spott der Männer zu überhören
und hastete weiter in der Hoffnung, irgendwo in der Stadt Zuflucht zu finden.
Während sie ihren Weg rasch fortsetzte, überkam sie die kalte, unerbittliche
Gewissheit, dass Mrs Puggsley, während der bleiche Mann vermutlich längst auf
dem Heimweg war, ihren Stuhl nicht verlassen hatte; sie saß immer noch dort,
während die Flammen um ihre Füße spielten und daran
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