Das Alexandria-Komplott
Lotsen anerkennend zu und reichte ihm die Hand.
»Gute Arbeit, wie immer, Mr. Campos.« Captain Collins kannte den Lotsen seit beinahe zwanzig Jahren – aber niemals redete er irgend jemanden, auch seine engsten Freunde nicht, mit Vornamen an.
»Wenn sie dreißig Meter länger wäre, hätte ich sie nicht mehr hineinquetschen können.« Harry Campos lächelte und entblößte seine tabakverfärbten Zähne. Sein Akzent klang eher irisch als spanisch. »Tut mir leid, daß wir nicht am Kai anlegen können, aber ich hatte Anweisung, das Schiff im Hafen vor Anker gehen zu lassen.«
»Aus Sicherheitsgründen, könnte ich mir denken«, bemerkte Collins.
Campos zündete sich eine Zigarre an. »Der Gipfel der Mächtigen hat auf der ganzen Insel das Unterste zuoberst gekehrt. So, wie sich die Geheimpolizei aufführt, könnte man meinen, hinter jeder Palme lauere ein Heckenschütze.«
Collins blickte durch die Fenster auf der Brücke auf die Spielwiese Südamerikas. »Darüber will ich mich nicht beklagen. Dieses Schiff wird während der Konferenz die Präsidenten von Ägypten und Mexiko beherbergen.«
»Tatsächlich?« murmelte Campos. »Kein Wunder, daß man es von der Küste fernhalten wollte.«
»Darf ich Sie zu einem Drink in meine Kabine einladen, oder – wenn man bedenkt, wie spät es ist – würden Sie mir die Ehre geben, mit mir zu speisen?«
Campos schüttelte den Kopf. »Meinen herzlichen Dank für die Einladung, Captain.« Er hielt inne und deutete auf die Schiffe, die den Hafen füllten. »Aber im Augenblick gibt es zuviel zu tun. Vielleicht beim nächsten Mal, wenn Sie den Hafen anlaufen.«
Campos füllte die Dokumente aus und reichte sie Captain Collins, der unterschrieb. Dann warf Campos einen flüchtigen Blick durch die Brückenfenster auf die makellosen Decks des Schiffes.
»Eines Tages nehme ich mir Urlaub und fahre als Passagier mit Ihnen.«
»Sagen Sie mir Bescheid«, erwiderte Collins. »ich veranlasse dann, daß die Gesellschaft Ihre Ausgaben übernimmt.«
»Ein überaus freundliches Angebot. Wenn ich meiner Frau davon erzähle, wird sie nicht lockerlassen, bis ich ihre Offerte angenommen habe.«
»Es wäre mir ein Vergnügen, Mr. Campos. Jederzeit, Sie müssen mir nur Bescheid geben.«
Das Lotsenboot kam längsseits, und Campos sprang von der Jakobsleiter aufs Deck. Er winkte, als das Boot ablegte und mit ihm aufs Meer hinausfuhr, damit er das nächste Schiff in den Hafen steuern konnte.
»Die angenehmste Reise, die ich je gemacht habe.« Die Worte kamen von Collins' Erstem Offizier, Michael Finney. »Die gesamte Besatzung und keine Passagiere. Sechs Tage lang hatte ich das Gefühl, nicht mehr auf dieser Welt, sondern im Paradies zu sein.«
Auf Anweisung der Gesellschaft hatten die Offiziere beinahe ebensoviel Zeit damit zu verbringen, die Passagiere zu unterhalten, wie das Schiff zu führen. Finney haßte diese Regelung aus ganzer Seele. Er war ein ausgezeichneter Seemann und hielt sich so weit wie möglich vom Speisesaal fern. Er zog es vor, mit seinen Offizierskameraden zu essen oder das Schiff zu inspizieren.
»Ich habe wirklich nicht angenommen, daß Sie die geselligen Vergnügungen vermißt haben«, bemerkte Collins sarkastisch.
Finneys Gesicht verzog sich mißbilligend. »Es wäre gar nicht so schlimm, wenn man nicht immer wieder dieselben dusseligen Fragen gestellt bekäme.«
»Höflichkeit und Respekt sind im Umgang mit den Passagieren Pflicht, Mr. Finney«, mahnte Collins. »So ist das nun mal bei Seereisen. Reißen Sie sich in den nächsten paar Tagen zusammen. Wir beherbergen einige bedeutende ausländische Staatschefs und Politiker.«
Finney gab keine Antwort. Er sah zu den modernen Hochhäusern hinüber, die die Ferienhäuser an der Küste überragten.
»Jedesmal, wenn ich das Städtchen zu Gesicht bekomme«, bemerkte er säuerlich, »ist ein neues Hotel dazugekommen.«
»Ach ja, Sie stammen ja aus Uruguay.«
»Ich bin westlich von Montevideo geboren. Mein Vater war Verkaufsrepräsentant einer Maschinenfabrik in Belfast.«
»Muß schön für Sie sein, wieder nach Hause zu kommen«, bemerkte Collins.
»Eigentlich nicht. Mit sechzehn habe ich auf einem panamesischen Kupferfrachter angeheuert. Vater und Mutter sind tot. Es ist niemand mehr da, den ich aus meiner Jugendzeit noch kenne.« Er schwieg und deutete auf ein herannahendes Boot. »Da kommen der Scheißzoll und die Inspektoren der Einwanderungsbehörde.«
»Da wir keine Passagiere an Bord haben und die
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