Das Alexandria-Komplott
die Entführer ahnen, daß wir da sind. Die totale Überraschung, das ist das Entscheidende.«
»Dann greifen wir Sie nachts mit Steuerfallschirmen an.«
»Das wäre eine Möglichkeit«, bestätigte Hollis knapp.
Dillinger rutschte unbehaglich auf seinem Segeltuchstuhl herum. »Ein Nachtabsprung ist schon gefährlich genug; aber blind auf ein verdunkeltes Schiff abzuspringen, das könnte ein Massaker bedeuten. Das wissen Sie ebensogut wie ich, Mort. Von vierzig Männern werden fünfzehn das Ziel verfehlen und ins Meer stürzen. Zwanzig werden vom Aufprall auf stählerne Ecken und Kanten der Schiffsoberfläche Verletzungen davontragen. Ich kann mich glücklich schätzen, wenn ich fünf Männer zu meiner Verfügung habe, die kampfbereit sind.«
»So etwas können wir nicht ausschließen.«
»Na, am besten warten wir mit der endgültigen Entscheidung, bis wir weitere Informationen zur Verfügung haben«, schlug Dillinger vor. »Alles hängt davon ab, wo das Schiff gefunden wird. Es ist ein Riesenunterschied, ob die Lady Flamborough irgendwo vertäut liegt oder sich auf hoher See befindet. Sobald wir endgültig Bescheid wissen, werde ich einen bis ins kleinste ausgeklügelten Angriffsplan ausarbeiten und Ihnen zur Genehmigung vorlegen.«
»In Ordnung«, willigte Hollis ein. »In welcher Verfassung sind die Männer?«
»Sie machen ihre Hausaufgaben. Bis wir in Punta Arenas landen, kennen sie die Lady Flamborough in- und auswendig – so gut, daß sie sich blind auf ihren Decks zurechtfinden würden.«
»Bei diesem Einsatz hängt viel von ihnen ab.«
»Die werden ihren Job schon erledigen. Das wichtigste ist, sie heil an Bord zu schaffen.«
»Da ist noch etwas«, sagte Hollis, und tiefe Besorgnis zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. »Die neuesten Schätzungen aus Geheimdienstquellen, was die Stärke der Entführer angeht … Der Bericht wurde eben vom Pentagon durchgegeben.«
»Wie viele sind es? Fünf, zehn, vielleicht zwölf?«
Hollis zögerte. »Wenn man davon ausgeht, daß die Mannschaft des mexikanischen Erzfrachters, die an Bord des Kreuzfahrtschiffs übersetzte, ebenfalls bewaffnet ist … könnten wir uns insgesamt vierzig Mann gegenübersehen.«
Dillinger schnappte nach Luft. »Ach du meine Güte. Wir gehen gegen eine gleich starke Gruppe von Terroristen vor?«
»Sieht so aus«, bestätigte Hollis grimmig.
Vollkommen überrascht schüttelte Dillinger den Kopf und wischte sich mit der Hand über die Stirn. Dann sah er Hollis fest in die Augen.
»Ein paar Leute«, drohte er zornig, »werden einen Arschtritt kriegen, noch bevor diese Operation über die Bühne gelaufen ist.«
Tief im Innern eines Betonbunkers unter einem Berg außerhalb von Washington stürzte Lieutenant Samuel T. Jones in ein großes Büro. Er hatte einen hochroten Kopf, so als habe er gerade eine Zweihundert-Meter-Sprinterstrecke zurückgelegt – was tatsächlich auch der Fall war. Die Kommunikationsabteilung und das Büro für Fotoanalyse waren fast genau zweihundert Meter voneinander entfernt.
In seinem Gesicht brannte die Erregung. In seinen hochgestreckten Händen hielt er eine große Fotografie.
Während der Alarmübungen war Jones oft durch die Korridore gehetzt, aber er wie auch die übrigen dreihundert Männer und Frauen, die in der Kommandozentrale der Special Operations Forces Dienst taten, waren in der Vergangenheit nur mit halbem Herzen bei der Sache gewesen. Nachdem sie wie die Murmeltiere im Winterschlaf ausgeharrt hatten, waren sie nun plötzlich zum Leben erwacht, als aus dem Pentagon die alarmierende Meldung von der Kaperung der Lady Flamborough eingetroffen war.
Die SOF wurde von Generalmajor Frank Dodge befehligt. Er selbst und verschiedene Offiziere seines Stabes warteten schon gespannt auf die Ankunft der neuesten Satellitenbilder, die die Gewässer südlich Feuerlands zeigten, als Jones in den Raum platzte.
»Wir haben es.«
Angesichts der unmilitärischen Begeisterung warf Dodge dem jungen Offizier einen ermahnenden Blick zu. »Sollte schon vor acht Minuten hier sein«, grunzte er.
»Das war meine Schuld, General. Ich habe mir erlaubt, die Ränder zu kappen und das unmittelbare Suchgebiet zu vergrößern, bevor ich das Ganze vom Computer in größerem Maßstab ausgeben ließ.«
Dodges Verärgerung schwand, und er nickte anerkennend.
»Gut mitgedacht, Lieutenant.«
Jones stieß einen kurzen Seufzer aus und befestigte das neueste Satellitenfoto an einem langen Wandbrett unter einer Reihe
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