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Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel

Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel

Titel: Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Valoppi
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Wohltätigkeitsgala. Mich hat es nicht gestört, denn manchmal haben wir es so gehalten.«
    »Sie sind eine sehr verständnisvolle Frau.«
    »Er war ein sehr verständnisvoller Mann.«
    »Ich habe diesen Anhänger auf dem Boden gefunden.« Robert reichte ihr die Plastiktüte. »Gehe ich recht in der Annahme, dass er ihrem Mann gehört hat?«
    Sie ergriff die Tüte und betrachtete sie. »Ja. Das war seiner. Er hat ihn in letzter Zeit getragen.«
    »Allem Anschein nach hat er eine Menge medizinischer Artefakte gesammelt.«
    »Das stimmt. Ich werde mir überlegen müssen, was ich mit seiner Sammlung antiker medizinischer Bücher machen soll.«
    »Sind sie sehr wertvoll?«
    »Ihr Verkauf könnte einige Pensionen finanzieren, aber Archibald wollte immer, dass sie einer Einrichtung gestiftet werden, in der sich die Welt daran erfreuen kann. Ich bin sicher, es wird nicht an Anrufen von Kuratoren mangeln, sobald sich die Neuigkeit verbreitet.«

9
    »Nur deine Wahrheit suche ich, o Herr«, sagte Pater David Consolo, als er sich bekreuzigte. Er stand auf den Stufen eines unscheinbaren Sandsteinhauses in Harlem, das zu einem Schrein geworden war. Kerzen erhellten die Haufen von Schnittblumen, Fotos verstorbener Angehöriger, handschriftliche Gebete und Dankesworte, die sich über die Treppe verteilten.
    Zwei ältere Frauen, die eine weiß, die andere schwarz, standen in traditioneller Nonnenkluft an der Vordertür Wache.
    »Willkommen, Vater.«
    »Wo ist sie?«, fragte er leise.
    »Drinnen.«
    Eine Stimme in Pater Davids Kopf sagte: Komm und sieh das Wunder, aber dies ist nicht für dich, David.
    Er verstand die Worte nicht, doch er verspürte einen vertrauten Anflug von Emotionen, als er die Stufen erklomm. Was immer ein gutes Zeichen war.
    Kaum hatte er die Tür erreicht, konnte er die Statue sehen: keine dreißig Zentimeter hoch stand sie auf einem Kartentisch mit einem Spitzentischtuch.
    Es handelte sich um die geliebte Jungfrau Maria aus weißer Keramik, durch die Jahre vergilbt, und sie trug hellblaue Gewänder. Vor ihr brannte eine kleine Kerze, und eine Frau kniete reglos betend davor.
    »Wie lange ist sie schon so?«
    »Die Frau? Diesmal fünf Stunden«, antwortete eine der Nonnen. »Die Statue beginnt etwa um die Zeit zu weinen, in der sie sich aus der Trance löst.«
    Pater David stellte sich neben die kniende Frau. Tiefe Runzeln zogen sich durch ihre dunkle Haut. Ihr Kopf war leicht gen Himmel geneigt, die Augen standen offen und blinzelten nie.
    Er bewegte seine Hand davor, erzielte jedoch keine Reaktion.
    »Wie alt ist sie?« Der Pater blickte auf die kalten, harten Fliesen, auf denen ihre knochigen Knie ruhten.
    »Siebzig«, erwiderte eine der Nonnen.
    Er bückte seinen müden Körper und näherte sich ihrem Gesicht. Sie atmete kaum wahrnehmbar. Er blies ihr direkt ins Auge – wieder erfolgte keine Reaktion. Da griff er in seine Jackentasche und holte eine Sicherheitsnadel hervor. Seine arthritischen Hände öffneten sie, bogen sie gerade, und er stach der alten Frau in den Unterarm. Sie zuckte nicht einmal.
    Diesen Vorgang wiederholte er erst mitten in ihre zum Gebet gefaltete Hand, dann tief in eine Wange. Kein Mal blieb zurück.
    »Was sagt sie?«, fragte er die Nonnen. »Dass der Antichrist hier ist? Dass seine Herrschaft anbricht? Ich habe all diese Dinge schon öfter gehört. Anscheinend sendet der Herr dieses Jahr mehr Zeichen und Propheten als Hurrikans und Erdbeben. Ich bin müde, Schwestern. Was soll ich tun?«
    »Sie hat von der Entrückung gesprochen.«
    »Erzählen Sie mir mehr«, forderte er die Nonnen hoffnungsvoll auf. »Erzählen Sie mir von Heerscharen in weißen Gewändern, reingewaschen im Blut des Lammes.«
    Pater David hatte die Entrückung schon immer für ein eigenartiges Konzept des Christentums gehalten. In der Bibel wurde das Wort »Entrückung« eigentlich gar nicht verwendet, vielmehr sprach sie von Gläubigen, die während der Herrschaft des Antichristen in den letzten Tagen der Erde in den Himmel geholt wurden. Jesus sagte, dass er bei seiner Rückkehr auf die Erde seine Auserwählten um sich scharen würde. Im Buch der Korinther sagte der Apostel Paulus, Gläubige würden nicht sterben, sondern sich binnen eines Lidschlags verwandeln. Viele Christen einschließlich der Katholiken glaubten nicht an die Entrückung. Unter den anderen herrschte Unstimmigkeit darüber, ob sich diese vor, während oder nach der Zeit der Großen Trübsal ereignen würde. Ebenso wenig herrschte

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