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Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel

Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel

Titel: Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Valoppi
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kennen.«
    »Keine Sorge, Pater David. Diejenigen, die den Herrn kennen, können ihn nicht mehr lange vergessen.«
    »Das ist es also? Das Ende steht bevor? Wir müssen die Botschaft der Kirche überbringen.«
    »Die Kirche hat ihre eigenen Botschaften. Die meine ist für Gottes Volk und lautet, dass der Herr bereit ist, sich zu offenbaren. Diejenigen, die verstehen wollen, werden begreifen, was geschehen wird. Wer die Wahl nicht ertragen kann, wird den Verlockungen des Teufels erliegen und sein Leben weiterführen wie in den Tagen vor der großen Sintflut Noahs – in zuversichtlicher Ignoranz. Und dann wird der Herr kommen, um über die Bewohner der Erde zu richten.«
    »Also ist das Ende tatsächlich nah«, meinte Pater David.
    »Was soll das heißen – nah? Für Gott sind tausend Jahre wie ein Tag und ein Tag wie tausend Jahre.«

24
    Claire erwachte, ließ die Augen jedoch geschlossen; sie hatte Angst davor, sie zu öffnen, weil sie nicht wusste, wo oder in welchem Zustand sie sich wiederfinden würde. So viel von dem, was geschehen war, mutete wie ein schlimmer Traum an, und dennoch keimte in ihrem Herzen eine Hoffnung, an die sie sich klammern wollte.
    Als sie die Lider letztlich öffnete, war es Nachmittag. Von der Straße hörte sie gedämpft die Geräusche der in ihrer Mittagspause umherhastenden New Yorker und lärmendes Hupen.
    Der Schlauch war von ihrer Brust entfernt worden. Sie fühlte sich ausgeruht und in der Lage, aufzustehen. Langsam versuchte sie, ihre Habseligkeiten in ihre Tasche zu packen.
    Helene würde bald kommen, um sie abzuholen, und sie wollte bereit sein, damit sie dieses Höllenloch so schnell wie möglich verlassen konnten. Als sie gerade ins Badezimmer gehen wollte, hielt Dr. Steven Cohen an ihrer Tür an. Einen Augenblick beobachtete er sie stumm, wobei er aussah wie ein Geprügelter.
    »Hi, Steve, kommen Sie doch herein«, lud Claire ihn beinah fröhlich ein und kletterte zurück ins Bett.
    »Sie klingen, als fühlten Sie sich heute ziemlich gut.«
    »Na ja, wissen Sie, das stimmt . Ich atme wesentlich leichter.« Um es zu demonstrieren, holte sie tief Luft. »Die Schmerzen sind fast völlig weg.«
    »Es wird solche Tage geben«, meinte er. »Wir haben eine Menge Flüssigkeit aus Ihrer Lunge abgesaugt. Ich bin froh, dass es geholfen hat. Ich schicke Sie mit einer Verschreibung für Perocet nach Hause. Sie können alle vier bis sechs Stunden oder nach Bedarf zwei Tabletten gegen die Schmerzen nehmen.« Während er sprach, griff er langsam unter ihr Nachthemd.
    Sie wappnete sich gegen die vertraute Kälte des Stethoskops auf ihrer Haut, doch sie blieb aus. Tatsächlich spürte sie außer der Erwartung gar nichts.
    »Ja, ich würde sagen, Sie atmen wirklich viel leichter«, kommentierte er, als wüsste sie nicht, wie sie sich wirklich fühlte.
    Er setzte sich auf die Bettkante und ergriff ihre Hand. »Claire, Sie sind seit vielen Jahren meine Patientin. Sie können es sich wegen der Chemotherapie immer noch anders überlegen. Geben sie mir einfach Bescheid, aber ich glaube, Sie tun das Richtige. Gehen Sie nach Hause und verbringen Sie Zeit mit Ihrer Familie. Sie brauchen einander. Ich werde so oft bei Ihnen vorbeischauen, wie ich kann. Außerdem wohne ich ja in der Nachbarschaft. Das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Natürlich nicht.«
    »Und ich erwarte, dass Sie mich bei jeglichen Problemen anrufen.« Er stand auf und ging zur Tür. »Sie wissen immer, wo ich zu finden bin«, fügte er hinzu.
    »Steve, glauben Sie an Wunder?«
    Dr. Cohen überlege einen Moment. Das Licht aus dem Flur erhellte seinen weißen Arztkittel. »Na ja, ich habe noch nie eines erlebt«, antwortete er schließlich.
    Dann muss ich Ihnen wohl eines zeigen , dachte Claire, als sie aufstand und sich ins Badezimmer begab. Vor dem Spiegel hielt sie inne und starrte das Gesicht an, das sie so verraten hatte. Einst war sie wunderschön gewesen, nun jedoch breiteten sich dunkelgraue Linien aus, als hätte sie jemand gnadenlos mit einem Bleistift gezeichnet.
    Als sie anfing, Gewicht zu verlieren, hatte ihr jeder gesagt, wie großartig sie aussähe. Bald waren jene überschüssigen, hässlichen fünf Kilo verschwunden gewesen. Aber dann nahm sie immer weiter ab. Nun war sie mit Hängebacken geschlagen, und ihre Augen hatten jeden Glanz eingebüßt. Sie erinnerte an einen alten Hund, den man in eine schummrige Ecke verbannt hatte, wo er sein Leben aushauchen sollte. Claire spritzte sich Wasser ins Gesicht.

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