Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
vorhersagen«, protestierte Justin.
»Und ob man das kann. Es werden verschiedene Tricks eingesetzt, um die Spieler zu verleiten, Fehler zu begehen.«
»Zum Beispiel?«
»Oh, das weiß ich nicht. Anscheinend wird einem vorgegaukelt, man soll dies tun, obwohl eigentlich jenes richtig wäre.«
»Woher weißt du das?«, fragte Justin.
»Liebling, ich bin beim Fernsehen. Deshalb kannst du nicht an der Qualifikationsrunde teilnehmen. Ich weiß zu viel.«
»Bei dieser Sendung wird eine Menge Geld ausgespielt«, meinte Robert.
»Eigentlich hat noch nie jemand die fünf Millionen gewonnen«, entgegnete Justin. »Aber eine Menge Heimspieler haben schon sechsstellige Summen eingestreift.«
»Nicht so viele, wie du denkst«, widersprach Helene. »Man muss achtzehn sein, um antreten zu dürfen, aber etliche der guten Spieler mogeln, was ihr Alter angeht, weshalb sie letztlich disqualifiziert werden und auf das Geld verzichten müssen. Glaub mir, das wusste der Sender im Voraus.«
Erbie räumte einige Teller vom Tisch. »Ich setze mich jetzt ein Weilchen zu Miss Claire«, sagte sie.
Helene wandte sich Robert zu. »Also, was denkst du über unsere Sendung von heute?«
»Ich bin froh, dass wir uns dabei gesehen haben«, antwortete er und hob das Glas.
36
Claire schlief friedlich, als Erbie ihr Zimmer betrat und auf dem Stuhl in der Ecke Platz nahm. Sie zog den roten Seidenpolsterschemel näher heran und legte zum ersten Mal an diesem Tag die Füße hoch. Mit einem tiefen Atemzug inhalierte sie den Duft des Lavendels, den sie auf Claires Laken gesprüht hatte. Das entspannende Aroma wirkte wie Balsam auf ihren müden Geist. Sie fragte sich, weshalb Claire nichts wegen des Lavendels gesagt hatte. Erbie hoffte, dass ihr die Aufmerksamkeit überhaupt aufgefallen war.
Sie war um sechs Uhr morgens aufgestanden, damit sie den Bus erwischte, um rechtzeitig bei der Arbeit zu erscheinen. Nun fühlte sie sich zwar erschöpft, aber dankbar dafür, dass sich ihre Arthritis weder in den Armen noch in den Beinen bemerkbar machte. Tiefe Zufriedenheit über die anständige Arbeit eines Tages erfüllte sie.
Erbie schloss die Augen und schlief rasch ein.
37
»Die Sendung heute war wirklich verrückt«, berichtete Helene. »Ich hatte diese jungen Christen zu Gast, die glauben, die Welt steht vor dem Ende. Regelrecht schockierend. Habt ihr Kinder auch etwas davon gehört? Sie nennen sich die ›Apokalyptische Jugend‹.«
»Nein«, sagte Justin.
»Laut ihren Worten sind sie Teil einer neuen Bewegung. Hört sich wie ein Kult oder etwas in der Art an. Ich hoffe, diese Leute bringen nicht einen Jim Jones hervor.«
»Wer ist das?«, fragte Madeline.
»Ein Verrückter, der seine Anhänger davon überzeugt hat, er sei Gott. Eines Tages haben sie sich alle umgebracht«, erklärte Robert.
»Mit Kool-Aid Getränkepulver. Das muss man sich mal vorstellen, sie haben sich mit Kool-Aid umgebracht.« Helene schüttelte den Kopf. »Man weiß nie, was die Leute anstellen, wenn Religion in Besessenheit ausartet.«
»Du hast solche Vorurteile, Mutter.«
»Stimmt nicht. Sieh es dir selbst an. Die Sendungen für nächste Woche liegen alle auf meinem Schreibtisch. Ich lege dir die DVD in dein Zimmer. Manchmal lassen sich die Menschen wirklich mitreißen. Warte, bis du hörst, was diese Leute sagen – und angeblich sind sie nur die Spitze des Eisbergs einer neuen Bewegung.«
»Meine Mutter glaubt nicht an Gott«, erklärte Justin Madeline.
»Was ich glaube, ist, dass Gott von den Menschen erfunden wurde, um ihnen Hoffnung zu geben«, sagte Helene. »Das geht darauf zurück, dass niemand sterben will. Jeder will ewig leben. Denkt nur an die alten Ägypter. Ihre Rituale drehten sich darum, im Leben nach dem Tod ihre Götter zu treffen. Niemand will sterben. Seht euch nur meine Mutter an!«
»Aber was, wenn Gott mehr ist als das?«, fragte Madeline.
»Schon möglich, trotzdem bleibt die Tatsache, dass jeder größere Krieg im Namen der Religion geführt wurde«, gab Helene zurück. »Im Namen Gottes wurden mehr Menschen gefoltert und getötet als aus jedem anderen Grund oder Vorwand.«
»Außer vielleicht Geld«, gab Robert zu bedenken.
»Das käme mit Sicherheit zumindest nah ran«, räumte Helene ein. »Von den Kreuzzügen bis zum Holocaust ging es immer nur um einen Gott gegen einen anderen. Millionen Menschenleben wurden deswegen ausgelöscht. Was für ein Gott ist das?«
»Du wirst mir nicht ausreden, Omas Bibel zu lesen«, sagte
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