Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
heller.
»Dr. Galipeau hatte die Tomografieergebnisse der Lunge meiner Mutter. Die erste Tomografie erfolgte vor ein paar Monaten, die zweite vor wenigen Tagen. Bitte heißen Sie meine Mutter willkommen, Ms. Claire Cummings. Mutter, würdest du bitte herkommen?«
Claire erhob sich unter donnerndem Applaus und nahm auf einem Sitz mitten auf der Bühne Platz.
»Hallo, Helene«, sagte sie.
»Mutter, würdest du bitte dem Publikum deine Geschichte erzählen?«
Das Publikum schwieg. Helene befand sich in einem Zustand intensiver Freude – sie war, wie man so schön sagte, wieder voll im Geschäft. Mit etwas Glück würde sie mittlerweile Zuschauer im ganzen Land in ihren Bann geschlagen haben; sie würden innehalten, bei der Arbeit, beim Lesen, beim Essen, bei was immer sie taten, um Claire zuzuhören. Leute, die sich die Sendung ansahen, würden ihre Freunde anrufen und ihnen sagen, sie sollten einschalten, weil das packkendes Fernsehen war. So wurde es gemacht. Ungeachtet all der Berater, Umfragen und Zielgruppen, gab es nichts, was darüber hinausging, den Zuschauern etwas zu bieten, das ihr Leben betraf .
Claire erklärte, wie sie als hoffnungsloser Fall gegolten und man ihr gesagt hatte, sie sollte sich auf den Tod vorbereiten. Dann hatte sie Dr. Viviee kennen gelernt. Dabei lächelte sie ihn, der im Publikum saß, sittsam an, und die Kamera schwenkte auf seine bescheidene, aber aufmerksame Reaktion, als er zurückhaltend lächelte und den Kopf neigte. Einen Augenblick lang fühlte sich Helene selbst als Zuseherin und wollte nur noch der Frau zuhören, die dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen hatte.
Zum Abschluss ihrer Geschichte fügte Claire hinzu, dass sich Dr. Viviee der Öffentlichkeit unter einem erheblichen persönlichen Risiko stellte und es nur aus Sorge um das Wohl anderer tat. »Er kann nicht länger tatenlos mit ansehen, wie Menschen unnötig sterben, obwohl er weiß, dass sie geheilt werden können – genau wie ich. Er ist hier, um Hoffnung zu säen, wo es zuvor keine gab.«
Unter neuerlichem donnerndem Applaus erhob sich Dr. Viviee und betrat die Bühne.
Im Fernsehen wirkte er noch attraktiver und charismatischer als in natura. Die Studiobeleuchtung zeichnete eine Aura um seinen Kopf, und seine lebhaften Augen schienen sich violett vom kobaltblauen Hintergrund der Studiowände abzuheben. Seine Stimme erklang rhythmisch, als er sprach. Sein Enthusiasmus war ansteckend.
Überall im Land saßen die Menschen wie gebannt von dieser tiefen Stimme und diesem unerschütterlichen Selbstvertrauen da. Helene konnte es spüren.
»Dr. Viviee«, begann sie. »Das ist eine so unglaubliche Geschichte, offen gestanden hätte ich sie nicht für möglich gehalten, wenn ich sie nicht selbst miterlebt hätte. Sie sind ein wahrhaft erstaunlicher Mann.«
»Nun, Helene, diese Schöpfung ist genauso sehr das Werk meines Vaters wie das meine. Ich hatte eine hervorragende Grundlage, auf die ich aufbauen konnte. Er war ein Genie. Ich habe seine Arbeit lediglich fortgesetzt. Ganz ehrlich, ich möchte, dass jeder diese Entdeckung mit einer gesunden Dosis Skepsis betrachtet, bis über jeden Zweifel erhaben nachgewiesen werden kann, dass sie wahr ist. Zugleich hoffe ich jedoch, dass man dies mit einem Gefühl der Verwunderung über die Möglichkeiten betrachten wird. Wir sind Geschöpfe mit grenzenlosem Potenzial, was sich nun, da etwas beseitigt wurde, das lange als eine Grenze galt, umso deutlicher zeigt. Ich bringe eine Hoffnung, die es zuvor nicht gab. Das kann kein Verbrechen sein.«
Es war an der Zeit, von Gefühlen zurück zu harten Tatsachen zu wechseln. »Konzentrieren wir uns einen Augenblick auf die Technologie, Dr. Viviee«, schlug Helene vor. »Können Sie uns sagen, wie genau sie funktioniert?«
»Selbstverständlich«, erwiderte er freundlich. »Krebszellen sind im Wesentlichen Zellen, die sich irrational verhalten und dem Körper verheerenden Schaden zufügen. Wir können sie töten, indem wir ihnen ihre Versorgung abschneiden, die unser Blut darstellt. Aber wenn wir das tun, töten wir gleichzeitig das betroffene Organ. Wir können sie außerdem mit einer Chemotherapie zerstören, allerdings werden dabei auch gesunde Zellen mitgetötet. Stammzellen werden von beschädigten Bereichen des Körpers angezogen und nehmen dort in vielen Fällen Reparaturen vor. Allerdings gilt die Verwendung von Blut aus Nabelschnüren oder von Stammzellen als äußerst kontrovers, weshalb ein Großteil der Forschung auf
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