Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
Publikums ab. »Was denken Sie?«, fragte er allgemein in die Runde.
»Ich glaube es«, rief jemand aus dem Publikum.
»Mann, dem wird man ganz schön auf die Pelle rücken«, sagte ein anderer.
»Folg dem Geld«, meldete sich noch jemand zu Wort, »und du stößt immer zum Kern der Sache vor.«
Helene holte sich einen Schluck Wasser. Ihr Verstand raste. Was sollte sie als Nächstes tun? Sollte sie den alten Knaben gleich auftreten lassen oder auf eine günstige Gelegenheit warten? Sie erblickte Kyle, der aus dem Regieraum auf sie zukam. »Was denkst du?«, fragte sie ihn.
»Ich denke, dass die Telefone leuchten wie ein Weihnachtsbaum. Sämtliche Leitungen sind überlastet. Was musst du sonst noch wissen?«
»Das ist gutes Fernsehen, oder?«
»Das ist großes Fernsehen. Du hast dir einen Gewinner ausgesucht. Ist er alleinstehend? Ihr beide würdet ein nettes Paar abgeben.«
»Noch zehn Sekunden!«, rief der Bühnenleiter.
80
Am Gipfel der Welt in seinem Penthousebüro inmitten von Manhattan saß Lars Studor, würdigte die atemberaubende Aussicht durch die deckenhohen Fenster keines Blickes.
So lange besetzte er dieses Büro schon, hatte so viele Schlachten gewonnen, etliche Übernahmeversuche abgewehrt und unzählige Durchbrüche geschafft; er stand so hoch im Kurs wie das Unternehmen selbst. Tatsächlich war beides untrennbar miteinander verbunden. Solange der Aktienwert von SBDH-CO hoch blieb, war Lars Studor als Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer eines der weltgrößten und fortschrittlichsten Pharmakonzerne unantastbar. Er genoss den Ruf, haargenau zu wissen, welche Medikamente sich zu entwickeln lohnten, wie man sie rasch durch die Prüfverfahren der FDA schleuste und wann man sie auf den Markt brachte.
Seit über 40 Jahren arbeitete er innerhalb des Systems; niemand hatte je besser als Lars gewusst, wie es funktionierte. Man konnte sich stets auf eine großzügige Forschungszuwendung seinerseits verlassen, wenn die FDA oder der amerikanische Medizinerverband Mittel für etwas benötigten. Unter seinem Vorsitz hofierte das Unternehmen Ärzte und Politiker in zuvor ungekanntem Ausmaß, und das in einer Branche, die ohnehin bereits für ihre Extravaganz bekannt gewesen war.
Als Gegenleistung erwartete er nicht viel, lediglich, dass man sein Wissen und seine Erfahrung berücksichtigte, wenn er darum ersuchte, und ein gewisses Maß an Vertrauen. Wenn daher einer seiner Vizepräsidenten in sein Büro gestürzt kam und etwas von einem Irren schwafelte, der im Fernsehen über die Pharmaindustrie herzog, wusste er exakt, was zu tun war.
»Ich muss mit Dr. Schultz vom Ärzteverband sprechen«, sagte er zu seiner Sekretärin durch die Gegensprechanlage. »Aber holen Sie mir zuerst Charlie Block von der FDA ans Telefon.«
»Ich habe ihn bereits dran, Sir«, gab die Sekretärin zurück.
»Hi, Charlie, wie geht es dir?«, fragte Lars und ließ sich dabei keinerlei Besorgnis anmerken.
»Gut, Lars. Was kann ich für dich tun?«
»Bist du zufällig in der Nähe eines Fernsehers?«
»Nein.«
»Dann solltest du dich schleunigst zu einem begeben. Anscheinend tritt gerade irgendein Scharlatan auf, der behauptet, Krebs heilen zu können.«
»Nicht schon wieder.«
»Und er praktiziert ohne Zulassung. Ich finde, du solltest gleich jemanden auf ihn ansetzen. Er ist in ... was für eine Sendung ist das?«
»Die von Helene Cummings«, antwortete sein Vizepräsident. »Sie läuft jetzt gerade.«
»Hast du das gehört, Charlie?«, erkundigte sich Lars.
»Klar. Ich kümmere mich sofort darum.«
»Und Charlie ...«
»Ja, Lars?«
»Ich habe den Verdacht, dass dieser Bursche eine sehr ernste Bedrohung für das Wohlergehen unserer kranken Bevölkerung darstellen könnte.«
81
»Willkommen zurück. Ich bin Helene Cummings, und falls Sie erst jetzt zugeschaltet haben: Dies könnte die wichtigste Sendung werden, die ich je gemacht habe. Ich werde Ihnen jetzt jemanden vorstellen, der wie meine Mutter ins Reich der Unwirklichkeit zu gehören scheint. Er widerspricht jeder Logik und Vernunft, und zwar so sehr, dass ich die heutige Sendung um ein Haar abgesagt hätte. Aber ich habe stattdessen beschlossen, dass Sie sich selbst ein Urteil bilden sollen. Bitte, heißen Sie Mr. Teng Hao Li willkommen.«
Das Publikum verhielt sich still, als Teng die Bühne betrat und Platz nahm.
Helene verlagerte das Gewicht und drehte sich ihm zu. »Mr. Teng, auch Sie haben Dr. Viviees Nanochip erhalten. Ist das richtig?«
»Ja.
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