Das also ist mein Leben - Chbosky, S: Das also ist mein Leben - The Perks of Being a Wallflower
sie sich wie ein Idiot, vor allem wenn sie in der Schule irgendwelchen Jungs begegnet. Und ich finde das schade, denn sie sieht gar nicht mehr so glücklich aus. Die Wahrheit ist, sie gibt nicht gern zu, dass sie im Englischkurs ist, und sagt auch nicht mehr so gern »Hi«, wenn sie mich sieht.
In der Sitzung mit den Schulpsychologen hatte Susan damals gesagt, Michael hätte sie das schönste Mädchen auf der ganzen Welt genannt, trotz Spange und allem. Dann hätte er sie gefragt, ob sie »mit ihm gehen« wolle, was auf jeder Schule eine große Sache ist – auf der Highschool sagt man aber »ausgehen« dazu. Und sie hätten sich geküsst und viel über Filme geredet, und jetzt würde sie ihn ganz furchtbar vermissen, weil er ihr bester Freund gewesen ist.
Das ist ein bisschen komisch, weil Jungs und Mädchen an meiner Schule eigentlich keine »besten Freunde« waren. Michael und Susan aber schon. So wie bei mir und meiner Tante Helen … Tut mir leid, ich meinte: »wie meine Tante Helen und ich«. Das ist so was, was ich diese Woche gelernt habe. Das und eine etwas deutlichere Zeichensetzung.
Die meiste Zeit über verhalte ich mich eher still. Nur einem Jungen namens Sean war ich offenbar aufgefallen. Er hat nach dem Sport auf mich gewartet und ziemlich kindische Sachen gesagt – etwa dass er mir eine »Spülung« verpassen werde, was heißt, dass man jemandem den Kopf
ins Klo steckt und runterspült, damit er nasse Haare kriegt. Sean sah ebenfalls etwas unglücklich aus, und das habe ich ihm auch gesagt. Da ist er wütend geworden und hat mich geschlagen, und ich habe einfach nur gemacht, was mir mein Bruder beigebracht hat. Mein Bruder ist ein ziemlich guter Kämpfer.
»Ziel auf die Knie, den Hals und die Augen.«
Das habe ich gemacht. Und ich habe Sean richtig wehgetan. Und dann musste ich weinen. Und meine Schwester musste aus ihrem Senior-Kurs kommen und mich heimfahren. Am nächsten Tag wurde ich in Mr. Smalls Büro gerufen, aber ich wurde nicht vom Unterricht ausgeschlossen oder so – jemand hatte Mr. Small erzählt, was bei der Prügelei wirklich passiert war.
»Sean hat angefangen. Es war Notwehr.«
Und das stimmte ja. Ich verstehe nur nicht, warum mir Sean wehtun wollte. Ich hatte ihm nichts getan. Ich bin ohnehin ziemlich klein. Sean glaubte wohl einfach nicht, dass ich kämpfen kann. Um ehrlich zu sein, hätte ich ihm noch viel mehr wehtun können, und vielleicht hätte ich das auch tun sollen. Ich hätte es irgendwann später noch getan, wenn er hinter dem Jungen her gewesen wäre, der Mr. Small alles erzählt hatte, aber Sean hat ihn in Ruhe gelassen. Also war die Sache vorbei.
Auf den Gängen schauen mich einige Schüler komisch an, weil ich meinen Spind nicht dekoriere und weil ich Sean verdroschen habe und danach weinen musste. Ich bin wohl ziemlich emotional.
Daheim ist es gerade wirklich einsam, weil meine Schwester damit beschäftigt ist, die Älteste in der Familie
zu sein. Und mein Bruder ist damit beschäftigt, an der Penn State Football zu spielen. Nach dem Trainingslager hieß es, er sei Ersatzmann und käme in die erste Auswahl, wenn er die Strategie richtig draufhat.
Dad hofft inständig, dass er es unter die Profis schafft und einmal für die Steelers spielt. Mom ist einfach nur froh, dass er kostenlos aufs College kann, weil meine Schwester ja kein Football spielt und wir für beide nicht genug Geld haben. Deshalb will sie auch, dass ich weiter so gute Noten schreibe, damit ich einmal ein Stipendium bekomme.
Das ist es also, was ich so tue, bis ich hier einen Freund finde. Ich hatte eigentlich gehofft, dass der Junge, der Mr. Small die Sache mit der Prügelei erzählt hat, mein Freund werden könnte, aber ich glaube, er hat sich einfach nur anständig verhalten.
Alles Liebe,
Charlie
11. September 1991
Lieber Freund,
ich habe gerade leider nicht viel Zeit, weil unser Englischlehrer uns ein Buch zu lesen aufgegeben hat und ich Bücher gerne zweimal lese. Das Buch heißt »Wer die Nachtigall stört«. Falls Du es noch nicht kennst, solltest Du es
wirklich mal lesen, denn es ist ein sehr interessantes Buch. Eigentlich sollten wir immer nur einige Kapitel auf einmal lesen, aber so lese ich Bücher nicht gern. Mit dem ersten Mal bin ich schon beinahe durch.
Wie auch immer, der Grund, weshalb ich schreibe, ist, dass ich meinen Bruder im Fernsehen gesehen habe. Normalerweise mag ich Sport ja nicht so, aber das war etwas Besonderes. Mom musste weinen, und Dad legte ihr den
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