Das also ist mein Leben - Chbosky, S: Das also ist mein Leben - The Perks of Being a Wallflower
Nachmittag rauchte ich draußen eine Zigarette und bemerkte Patrick, der auch alleine dastand und rauchte. Ich wollte mich nicht in seine persönlichen Angelegenheiten einmischen, also bin ich nicht zu ihm rüber. Aber ich konnte sehen, dass er weinte. Ziemlich schlimm sogar. Und immer wenn ich ihn danach irgendwo traf, schien er gar nicht richtig da zu sein. Er wirkte, als wäre er ganz
weit weg. Das fiel mir deshalb auf, weil die Leute ja immer mich so beschrieben haben. Vielleicht tun sie das immer noch, keine Ahnung.
Jedenfalls, am Donnerstag ist dann etwas wirklich Schlimmes passiert.
Ich war gerade allein beim Lunch, als ich sah, wie Patrick rüber zu Brad ging, der bei seinen Footballkumpeln saß und Patrick genauso ignorierte wie vor einigen Tagen auf dem Gang. Und ich sah, wie Patrick sich ziemlich aufregte, aber Brad ignorierte ihn noch immer. Patrick sagte etwas zu ihm und sah wirklich wütend dabei aus, und dann entfernte er sich wieder von Brads Tisch. Brad saß einen Moment lang still da, dann wandte er sich seinen Kumpeln zu. Und da hörte ich es. Es war laut genug, dass man es noch ein paar Tische weiter verstehen konnte.
»Schwuchtel!«
Brads Kumpel brachen in Gelächter aus. An den anderen Tischen verstummten alle. Patrick blieb stehen und drehte sich um. Er zitterte vor Wut. Kein Scherz – er zitterte. Und dann stürmte er zurück zu Brads Tisch.
»Wie hast du mich gerade genannt?«
Mann, war er wütend! Ich hatte ihn noch nie so erlebt.
Zuerst gab Brad keine Antwort, aber seine Kumpel stachelten ihn an, also sah er schließlich Patrick an und sagte, leiser und gemeiner als beim ersten Mal:
»Ich habe dich eine Schwuchtel genannt.«
Brads Kumpel johlten noch lauter. Das heißt, bis Patrick den ersten Treffer landete. Es ist schon unheimlich, wenn ein ganzer Raum auf einmal verstummt – und dann der Lärm erst so richtig anfängt.
Es war ein harter Kampf. Viel härter als der, den ich letztes Jahr mit Sean hatte. Keine ordentlichen Boxhiebe oder was man so in Filmen sieht. Sie hielten sich einfach umklammert und schlugen aufeinander ein. Der Aggressivere oder Wütendere landete bei so etwas üblicherweise die meisten Treffer, doch in diesem Fall war es ziemlich ausgeglichen – bis sich Brads Kumpel einmischten und es fünf gegen einen ging.
Und das war dann der Punkt, an dem auch ich mich einmischte. Ich konnte einfach nicht zusehen, wie sie Patrick wehtaten, auch wenn sich die Sache zwischen uns noch nicht geklärt hatte.
Wer mich kennt, hätte vermutlich erstaunt reagiert oder sich Sorgen gemacht. Außer mein Bruder – immerhin hat er mir ja beigebracht, was man in solchen Situationen tut. Ich will jetzt nicht in die Details gehen, es endete jedenfalls damit, dass Brad und zwei seiner Kumpel aufhörten und mich fassungslos anstarrten. Seine anderen beiden Kumpel lagen am Boden. Einer hielt sich das Knie, auf das ich mit einem dieser Metallstühle geschlagen hatte. Der andere hielt sich die Hände vors Gesicht. Ich bin mehr oder weniger auf seine Augen losgegangen, aber nicht schlimm. Ich wollte ihm nicht allzu sehr wehtun.
Ich sah Patrick an. Sein Gesicht war übel zugerichtet. Er weinte. Ich half ihm auf, und dann sah ich Brad an. Ich glaube nicht, dass wir bisher mehr als zwei Worte gewechselt hatten, aber ich dachte, das wäre ein guter Zeitpunkt, damit anzufangen. Ich sagte:
»Wenn du das noch einmal tust, werde ich es allen erzählen. Und wenn das nicht hilft, mache ich das da mit dir.«
Ich zeigte auf seinen Freund, der sich die Hände vors Gesicht hielt, und wusste, dass Brad mich verstanden hatte. In diesem Moment kamen die Sicherheitsleute und brachten uns alle erst ins Krankenzimmer und dann zu Mr. Small. Patrick hatte angefangen, also wurde er eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen. Brads Kumpel kriegten jeweils drei Tage, weil sie auf Patrick losgegangen waren, statt die Streithähne voneinander zu trennen. Brad wurde gar nicht suspendiert, weil es Notwehr gewesen war. Und ich auch nicht, weil ich lediglich einem Freund geholfen hatte, der allein gegen fünf stand.
Allerdings mussten Brad und ich einen Monat lang nachsitzen.
Beim Nachsitzen stellte Mr. Harris keine Regeln auf. Er ließ uns einfach lesen oder Hausaufgaben machen oder reden. Es ist wirklich keine schlimme Strafe, wenn man nicht gerade auf das Nachmittagsprogramm im Fernsehen steht oder sich Gedanken um die Einträge in seiner Akte macht. Wobei ich mich frage, ob es die wirklich gibt – ich meine
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