Das also ist mein Leben - Chbosky, S: Das also ist mein Leben - The Perks of Being a Wallflower
Stimmung vorher allerdings so angespannt machte, war, dass Patrick seine Rolle als Frank N. Furter aufgegeben hat. Er sagte, er wolle ihn nicht mehr spielen, nie wieder. Und er setzte sich neben mich ins Publikum, und während die Show lief, sagte er ein paar wirklich traurige Sachen, die so gar nicht zu ihm passten.
»Hast du schon einmal darüber nachgedacht, Charlie, dass unser Freundeskreis genau wie jeder andere ist? Und
dass der einzige Unterschied zwischen uns darin besteht, was wir für Sachen anziehen und wieso?«
»Glaubst du wirklich?«
Wir schwiegen einen Moment.
»Das ist doch alles scheiße, wenn du mich fragst.«
Und so meinte er es auch. Es tat wirklich weh, ihn so zu erleben.
Frank N. Furter wurde von einem Jungen gespielt, den ich nicht näher kannte. Er war schon länger der Ersatz für Patrick gewesen und bekam nun seine große Chance. Und er war ziemlich gut. Nicht so gut wie Patrick, aber ziemlich gut.
Alles Liebe,
Charlie
11. Mai 1992
Lieber Freund,
ich verbringe viel Zeit mit Patrick. Nicht, dass ich dabei allzu viel reden würde – ich höre ihm eigentlich nur zu und nicke hin und wieder, weil Patrick gerade wirklich jemanden zum Reden braucht. Es ist allerdings auch nicht so wie mit Mary Elizabeth. Es ist anders.
Samstagmorgen nach der Show und der Party fing es an. Ich lag noch im Bett und dachte gerade darüber nach, wieso man manchmal aufwachen und wieder einschlafen kann und manchmal nicht, als Mom an die Tür klopfte.
»Dein Freund Patrick ist am Telefon.«
Ich stand auf und schüttelte den Schlaf ab.
»Hallo?«
»Zieh dich an. Ich bin schon auf dem Weg zu dir.«
Klick. Ende der Durchsage. Eigentlich hatte ich ja jede Menge zu tun, weil es auf das Ende des Schuljahrs zuging, aber es klang, als gäbe es hier ein Abenteuer zu erleben, also zog ich mich an, und zehn Minuten später hielt Patrick vor dem Haus. Er trug dieselben Kleider wie am Abend zuvor. Er hatte auch nicht geduscht oder so, und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er überhaupt geschlafen hatte. Er hielt sich mit Kaffee und Zigaretten wach. Und mit diesen kleinen Pillen, die man im Quick Mart und an Raststätten bekommt. Die halten einen wirklich wach und sind nicht einmal illegal – sie machen einen nur sehr durstig.
Ich stieg zu Patrick ins Auto, in dem dichte Rauchwolken hingen, und er bot mir eine Zigarette an, aber ich sagte, nicht vor meinem Haus.
»Deine Eltern wissen nicht, dass du rauchst?«
»Nein. Sollten sie denn?«
»Hm. Vermutlich nicht.«
Und dann fuhren wir los – und zwar richtig schnell.
Zuerst redete Patrick nicht viel. Wir hörten einfach nur Musik. Als dann der zweite Song anfing, fragte ich ihn, ob das der Mix war, den ich ihm zu Weihnachten geschenkt hatte.
»Ja. Ich habe ihn die ganze Nacht gehört.«
Er grinste über das ganze Gesicht, aber es war kein gesundes Grinsen – es wirkte starr und betäubt. Er drehte die Musik lauter. Und gab noch mehr Gas.
»Ich sag dir was, Charlie. Es geht mir gut. Weißt du, was ich meine? Richtig gut. Als ob ich frei wäre oder so. Mich nicht mehr verstellen müsste. Ich gehe bald aufs College, und da wird alles anders. Weißt du, was ich meine?«
»Klar doch.«
»Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, was für Poster ich in meinem Zimmer im College aufhänge. Oder ob mein Zimmer vielleicht so eine Wand hat, wo man die Ziegelsteine sieht. Ich wollte immer schon mal so eine Wand anstreichen. Weißt du, was ich meine?«
Diesmal nickte ich nur, denn er ließ mir nicht genug Zeit für ein »Klar doch«.
»Dort wird alles anders sein. Es muss einfach anders sein.«
»Das wird es auch.«
»Glaubst du wirklich?«
»Klar doch.«
»Danke, Charlie.«
Und so ging es den ganzen Tag weiter. Wir gingen ins Kino. Wir gingen Pizza essen. Und immer wenn Patrick müde zu werden begann, holten wir Kaffe, und er schluckte ein oder zwei Pillen. Dann, als es allmählich dunkel wurde, zeigte er mir die ganzen Plätze, wo Brad und er sich getroffen hatten. Er sagte aber nicht viel dazu. Er starrte bloß ins Leere.
Schließlich landeten wir auf dem Golfplatz.
Wir saßen auf dem achtzehnten Grün, das ziemlich hoch auf einem Hügel lag, sahen der Sonne beim Untergehen zu, tranken den Rotwein, den Patrick mit seinem gefälschten Ausweis gekauft hatte, und redeten über alles Mögliche.
»Kennst du eigentlich diese Geschichte von Lily?«, fragte er mich.
»Vom wem?«
»Lily Miller. Keine Ahnung, was ihr echter Vorname war, aber jeder
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